Das Buch zum Sonntag (3)

Für die morgen beginnende Woche empfehle ich zur Lektüre:

Irina Denezkina: Komm

Das Buch erschien 2002 auf Russisch, bereits ein Jahr später auf deutsch. Es handelt sich hierbei um den Debutroman der Autorin, die 1981 geboren wurde und Journalistik studierte.
Die Zeit um 2000 war eine höchst interessante Periode der russischen Gegenwartsliteratur. Es gab eine gewisse Aufbruchstimmung, ein Gefühl des Wandels und es wurden viele, insbesondere auch junge SchriftstellerInnen gedruckt und übersetzt, die unter anderen Umständen wohl weniger wahrgenommen worden wären (Jerofejew, Pelewin, Kurkow etc.). Das hat sich seit einigen Jahren wieder gewandelt, aus bekannten Gründen.
In diese Zeit also fällt Frau Denezkinas Erzählungsband, dessen Erzählungen sich durch ein hohes Tempo und eine unmittelbare Darstellung auszeichnen. Sie zeigt recht unverblümt eine großstädtische Jugend, deren Leben aus Erotik, Musik, Alkohol und Gewalt zu bestehen scheint, die auf der Suche ist, ohne genau benennen zu können, wonach, Figuren, die mit ihrer Rolle in der Gesellschaft spielen – insgesamt eine Generation, die eine Freiheit fühlt und lebt, für die der Rahmen fehlt.
Wirklich interessant wird sie für mich jedoch, weil sie zwar authentische Figuren zeichnet und dies wahrscheinlichst aus unmittelbarem Erleben, dabei jedoch die schriftstellerische Distanz behält, was ihre Personen eben nicht zu Fotografien, sondern zu literarischen Figuren macht und weil sie schreiben kann. Es gibt bei aller Direktheit, bei aller Gewalt immer wieder eine Zärtlichkeit in ihren Texten, eine Kraft zur poetischen Gestaltung, ohne je in die Nähe der Kitschgefahr zu geraten und ohne Reportage zu werden.

Russische Literatur hat es hierzulande nicht einfach – ich persönlich kann mir nicht erklären, warum. Ich bin erklärter Anhänger der russischen Prosa. Und Frau Denezkina schreibt ausgesprochen russisch. 😉

lieferbare Ausgaben:

http://www.buchhandel.de/default.aspx?strframe=titelsuche&caller=vlbPublic&nSiteId=11&Func=Search&stichwort=denezkina%20komm

Auch hier ist das Hörbuch zu empfehlen, auch wenn die Lesung von Frau Haberlandt nicht alle Erzählungen enthält.

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