Real Life is overrated.

Nicht erst seit dem Feuilleton-Skandal um Frau Hegemann scheint es arge Probleme zu geben, Künstler und Kunstwerk auseinander zu halten. Es mag ja sein, daß feinsinnige literaturwissenschaftliche Analysen das eine oder andere über den Autor anhand seines Werkes zu Tage fördern können – das ändert aber nichts an der prinzipiellen Differenz zwischen der Wirklichkeit des Kunstwerkes und der des Künstlers.
Es ist für die Beurteilung von “Emile” völlig unerheblich, daß dessen Autor seine Kinder nicht selbst aufgezogen hat. Über die Gültigkeit von Rousseaus Überlegungen zur Pädagogik sagt das überhaupt nichts aus.
Es ist damit auch egal, ob eine 17jährige Koks im Berghain konsumiert hat, nur weil sie einen Roman schreibt, in dem ihre Protagonistin das tut.
Kurz:
Ein Kunstwerk muß zunächst einmal für sich bestehen. Entweder es berührt mich oder es berührt mich halt nicht. Der Lebenslauf des Künstlers spielt dabei keine Rolle.
Ich könnte jetzt noch einen langen Sermon zu diesem Thema schreiben, in dem ich mich wahrscheinlich mehrfach wiederhole und dutzende Male verheddern würde, ehe mein Kopf übermüdet auf die Tastatur knallt und der Beitrag mit eaghireauogb endet.*
Oder aber ich überlasse den Rest dieses Beitrages dem Hausheiligen und mache Feierabend für heute:

Die arme Frau

Mein Mann? mein dicker Mann, der Dichter?
Du lieber Gott, da seid mir still!
Ein Don Juan? Ein braver, schlichter
Bourgeois ? wie Gott ihn haben will.

Da steht in seinen schmalen Büchern,
wieviele Frauen er geküßt;
von seidenen Haaren, seidenen Tüchern,
Begehren, Kitzel, Brunst, Gelüst . . .

Liebwerte Schwestern, laßt die Briefe,
den anonymen Veilchenstrauß!
Es könnt ihn stören, wenn er schliefe.
Denn meist ruht sich der Dicke aus.

Und faul und fett und so gefräßig
ist er und immer indigniert.
Und dabei gluckert er unmäßig
vom Rotwein, den er temperiert.

Ich sah euch wilder und erpichter
von Tag zu Tag ? ach! laßt das sein!
Mein Mann? mein dicker Mann, der Dichter?
In Büchern: ja.
Im Leben: nein.

Und hier nochmal rezitiert von Frau Annekathrin Bürger:

Die arme Frau. in: Werke und Briefe: 1918. Tucholsky: Werke, Briefe, Materialien, S. 1095f.
(vgl. Tucholsky-GW Bd. 1, S. 344f.) (c) Rowohlt Verlag http://www.digitale-bibliothek.de/band15.htm

*Ich plane mit diesem Beitrag endlich ein Google-Top-Ranking zu erzielen. Sollte klappen, bisher liefert Google keinen Treffer für das Suchwort “eaghireauogb”

Ein Kommentar zu „Real Life is overrated.

  1. eaghireauogb

    Wunderschön! Innovativ hoch 3!

    Endlich mal ein Suchbegriff, der nicht 1,375 768 Ergebnisse liefert, weniger als eine Seite kommerzielle Links auswirft, weder auf goyellow verweist noch auf wikipedia.
    Selbst superkalifragilistischexpialigetisch hat das 70fache an Treffern (!!) – nun gut, nicht bei goyellow, aber ständig telefonisch gefunden zu werden ist ja auch nicht nur vorteilhaft.
    Wer sich einmal mit den Techniken/Tricks zur Ranking-Verbesserung bei Suchmaschinen beschäftigt hat, weiß, dass diese Herangehensweise ein wunderschöner Hinweis auf die Leistungsfähigkeit herkömmlicher Suchmaschinen ist und die Idee dazu – wenn er denn noch unter uns weilen würde – vom Hausheiligen selbst stammen könnte.

    Ich kann meine gefühlte und denkende Nähe zu Solcherlei nicht leugnen und wünsche weiter viel Spass und wachsende Fangemeinschaft – nicht nur T. hätte es verdient!

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