Leipzig-Lübeck 2010 (7) – “Quäl Dich, Du Sau”

Location: Mölln
Tagesziel: Lübeck
Kilometerstand: 63,79 km
noch zu fahren: ca. 35 km
Fahrzeit: 3:21:28 h
Reisezeit: 4h

Kann man über Mölln schreiben, ohne auf Tille Eulenspiegel und brennende Häuser hinzuweisen? Offenbar nicht.
Andererseits möchte ich auch gar nicht über Mölln schreiben, die Stadt habe ich links liegen gelassen. Ich sitze hier gerade unter einer Autobrücke und habe bei gelegentlichem Blick in die Landschaft mein Netbook hochfahren lassen und den Surfstick angeschlossen . In einer US-amerikanischen Fernsehserie müssten jetzt in Kürze ein paar bewaffnete Spezialkräfte auftauchen, um mich zu überwältigen.
Also, mal sehen, wie weit ich mit diesem Beitrag hier komme.
Heute morgen erwachte ich mit einem äußerst unguten Gefühl. Mir ging es wirklich miserabel und es deutete sich an. daß dies die härteste Etappe der ganzen Strecke werden würde, einfach aufgrund meiner desolaten körperlichen Verfassung. ich möchte euch nicht mit den Details langweilen, nur so viel: Nach Kilometer 26 ließ der Brechreiz nach.
Einen Kilometer vorher hatte ich endgültig die Elbe verlassen und nach der letzten Überquerung (diesmal allerdings per Brücke – auf die mir ein höchst freundlicher Mann half, den ich unterhalb der Brücke ansprach, um den Weg hinauf zu erfragen, denn die steile Treppe hinauf bot zwar eine Spur für Fahrräder an, aber mit dem erheblichen Gepäck traute ich mir das nicht zu, woraufhin er mir jedoch sofort anbot, beim Hinaufschieben behilflich zu sein, netter Abschied von Niedersachsen, muß ich schon mal sagen) erreichte ich Lauenburg und damit endlich Schleswig-Holstein. Es war sicher sträflich, die Residenz des prestigeträchtigen Herzogtums keines Besuches zu würdigen, aber zu diesem Zeitpunkt lag ich bereits weit hinter der schlechtesten Marschroute zurück und eine Besserung des miserablen 17er-Schnitts war nicht zu erwarten. Im Gegenteil.
Nach einer Fahrt über Strecken, in denen zum einen mein Tourenrad in arge Bedrängnis geriet (sandige Abhänge sind dann doch a bissl zu viel des Guten) und Straßen, deren Zustand ein Fahren in Mountainbike-Manier erforderte (ihr wißt schon: eher niedriger Gang, hohe Trittfrequenz, häufige Lenkmanöver, permanente Konzentration – ich kann die Faszination fürs MountainBiking ja nachvollziehen, aber mir ist das nichts. Da muß man ja ständig aufpassen. Nee, dann lieber eine schöne gerade Asphaltstrecke und den Kopf frei haben für alles oder auch nichts.) erreichte ich jedoch den Elbe-Lübeck-Kanal, der gegenüber der Elbe immerhin den Vorteil hat, weitgehend geradeaus zu verlaufen. Gleichzeitig führt er auch an Ortschaften vorbei, ohne sie unnötig zu queren, kurz: knapp 70 km stures Weiterfahren. genau das, was ich heute brauche und die ersten Tunnelblickfahrten habe ich auch bereits hinter mir. Eine davon sogar mit 28er-Schnitt, was äußerst gut tat (und die Tatsache, daß justament während dieses Abschnitts zwei junge Damen in entgegengesetzter Richtung vorbeifuhren, tat durchaus auch gut. Als kurz darauf der Wind auffrischte und ich das Tempo wieder rausnahm, waren sie ja eh schon außerhalb des Blickfeldes). Kurz: Das spannende für mich an Mölln war, daß es von hier aus laut Wegweiser nur noch 33 km bis Lübeck sind. Die werden sehr hart, nicht zuletzt, weil der Zustand des Radweges “Alte Salzstraße” miserabel ist (so eine Art festgefahrener Sand mit unmotiviert hingeworfenem Kies und Schotter), aber ich bin zuversichtlich, das auch noch zu schaffen.
Eh ich wieder aufbreche, noch ein kurzer Check:
Die Fußgelenke haben das SchmerzFunken aufgegeben und puckern nur noch mürrisch vor sich hin, das linke Knie droht mit Arbeitskampfmaßnahmen, die “sicher schmerzhaft werden”, die Beinmuskulaturen habe ganz stark unter Fraternisierungsverdacht mit dem Knie, bisher ging ihr Protest aber über ein “Och nö, das ist doch jetzt nicht wahr.” nicht hinaus. Die in der Literatur behauptete Gewöhnung stellt sich bei der Sitzfläche partout nicht ein (und das ausgleichende im-Stehen-Fahren gefällt Beinen und Handgelenken nicht). Dem linken Oberarm ist die zugeteilte Magnesiumdosis zu niedrig und die Handgelenke wollen nach Hause. Da aber von den Zähnen bisher noch nichts Negatives zu vermelden ist, mache ich mir keine ernsthaften Sorgen.

P.S. Der obige Satz übrigens soll der Legende nach von Udo Bölts stammen, der ihn dem auf einer Überführungsetappe schwächelnden Jan Ullrich zugerufen haben soll.

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