Eine junge Frau ist gestorben. Zu Grunde gegangen an multipler Sucht, unter der voyeuristischen, sensationsgeilen Beobachtung der Gesellschaft. Da standen sie alle da und schauten zu, wie ein Mensch zerbrach.
Amy ist nicht gestorben, nein vielerorts konnte man dann diverse Versionen von die ist endlich abgekratzt hören. Und wenn man dem dann etwas entgegen setzte, bekam man ein aber das hat sie sich doch selbst zuzuschreiben. Ja, ach. Aber so ist das wohl, wenn man einmal diese Figur ist, der dann eine gesamte Öffentlichkeit beim langsamen Verenden zuschaut.
schreibt Herm in seinem hier dringend zur Lektüre empfohlenen Beitrag „Für Amy“
Es ist in den letzten Tagen viel zum Tode Amy Winehouses zu lesen gewesen. Und natürlich wird sie gewürdigt als eine Frau mit großer Stimme und großem Talent, die leider, leider, den Drogen verfallen ist und nun leider, leider so früh von uns ging und es war ja auch nicht und die Schlagzeilen, die sich so wenig auf die Musik bezogen.
Warum eigentlich nicht? Was bringt uns dazu, Geld zu bezahlen, damit Menschen bis in intimste Bereiche ausgespäht werden? Daß sie keine Sekunde Ruhe, Frieden, Privatheit haben?
Was bringt uns dazu, lustvoll von Fehltritten, Ausrutschern, Abstürzen, Verfall zu lesen?
Was ist es, das uns antreibt, Befriedigung am grundlegenden Scheitern anderer Menschen zu empfinden?
Was bringt uns dazu, jedes noch so kleine Detail erhaschen zu wollen, um beim öffentlichen Sterben eines Menschen aber auch ja nichts zu verpassen?
Es scheint nur wenig befriedigender zu sein, als Götter stürzen zu sehen. In unserer weitgehend säkularisierten Welt müssen wir uns unsere Heroen selbst schaffen – und es scheint gut zu tun, zu sehen, wenn die dann – Überraschung! – „auch nur Menschen“ sind. Mit welcher Gefühlskälte da über Mitmenschen geurteilt wird, die den Fehler begangen haben, etwas zu schaffen, das anderen etwas bedeutet, ist geradezu abstoßend und läßt mich ein weiteres Mal an der Menschheit zweifeln. Wäre ich nicht zufällig Bestandteil derselben, ich hielte es mit Protestnik Vogon Jeltz: „Ein lahmer Drecksplanet ist das, ich habe nicht das geringste Mitleid“.
In der SouthPark-Folge „Britney´s neuer Look“ (natürlich aus der großartigen Staffel 12) gehen die Macher genau dieser Frage nach. Und ich kann mich ihrer Analyse nur vollumfnglich anschließen. Was Tucholsky dem Leser 1985 zuruft, gilt auch in ganz anderen Zeitdimensionen: „Besser seid ihr auch nicht als wir und die vorigen. Aber keine Spur, aber gar keine “
Wir nennen unsere Fruchtbarkeitsgötter nicht mehr so, aber noch immer beten wir sie an und zerstören ihre Statuen und Tempel, sobald sie nicht mehr funktionieren. Heute darf es eben auch gerne mal der heroisierte Mitmensch sein.
Schließen möchte ich mit einem beim Herm geborgten Zitat aus Russell Brands Posting zum Tod von Frau Winehouse, in der Hoffnung, es möge dem einen oder anderen in Erinnerung rufen, daß auch hier ein Mensch starb:
When you love someone who suffers from the disease of addiction you await the phone call. There will be a phone call. The sincere hope is that the call will be from the addict themselves, telling you theyve had enough, that theyre ready to stop, ready to try something new. Of course though, you fear the other call, the sad nocturnal chime from a friend or relative telling you its too late, shes gone.
Frustratingly its not a call you can ever make it must be received. It is impossible to intervene.