Friedensfahrer möcht’ ich am liebsten sein

Es ist schon eine ganze Weile her, dass das letzte Mal »TV-Total« gesehen habe. Die Gründe, warum mich diese Sendung einmal reizte und dies nun nicht mehr der Fall ist, überlasse ich der Erforschung dazu berufener Menschen (Psychotherapeuten zum Beispiel oder Biographen – mal sehen, wer schneller ist). Worum ich aber Herrn Raab damals wirklich beneidete war seine offenkundige Möglichkeit, sich bei »Raab in Gefahr« jeden »Kleine-Jungs-Traum« zu erfüllen, der ihm einfiel. Wobei »Neid« die Sache nicht ganz trifft, da ich ihm das wirklich aus ganzem Herzen gegönnt habe – wie ich ja jedem Menschen seine Optionen gönne.
Am Pfingstsonntag nun fuhr ich mein erstes Radrennen, sportlich nicht weiter von Belang, es war die 30km-Strecke des Jedermann-Rennens im Rahmen der »neuseenclassics« in Zwenkau. Flach, kurz und zu einer Uhrzeit, zu der die meisten Menschen noch nicht einmal ans Aufstehen denken würden. Viel unbedeutender geht es kaum. Aber für mich war es großartig. Warum? Nun, da wollen wir Psychotherapeuten und Biographen mal Futter geben:
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Man tut was für die Revolution und weiß genau: Mit dieser Partei kommt sie nicht.

Das Zitat des Tages stammt vom Hausheiligen dieses Blogs:

»Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem 1. August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleinern Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas –: vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahingegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen.«

(Kurt Tucholsky, »Schnipsel«, 1932)

Ich wollte freundlicheres schreiben, aber ich war unglücklicherweise heute in Leipzig – wo Passanten angeraunzt und zur Seite gestoßen werden, damit die Damen und Herren Ehrengäste aber auch ja ungestört im Gewandhaus sich bejubeln können, während die doofen Proleten auf dem Markt mit Massenware und Bildschirmübertragung abgefertigt werden.
Aber gut, was will man machen, Herr Steinbrück hat ja seinen besten Arbeiterkumpel auch seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen.

Wir leben in einer zunehmend deindustrialisierten Welt, die Arbeiter-Attitüde ergibt also eh keinen Sinn mehr und »Wann wir schreiten Seit an Seit« wirkt nur noch albern. Und dass diese Partei irgendwelche Interessen außer den eigenen vertritt, glaube ich schon lange nicht mehr. Es mag dies auch für andere gelten, aber wer mit fetten Limousinen zum bourgeoisesten Saal der Stadt fährt, um schön abgeschirmt sich selbst zu feiern – der kann mir mit sozialer Attitüde gestohlen bleiben. Da sind mir andere Vereine lieber, die machen wenigstens keinen Hehl daraus, dass sie sich für was besseres halten.

»Jenosse«, sahre ick, »woso wählst du eijentlich SPD –?« Ick dachte, der Mann kippt mir vom Stuhl! »Donnerwetter«, sacht er, »nu wähl ick schon ssweiunsswanssich Jahre lang diese Pachtei«, sacht er, »aber warum det ick det dhue, det hak ma noch nie iebalecht! – Sieh mal«, sachte der, »ick bin in mein Bessirk ssweita Schriftfiehra, un uff unse Ssahlahmde is det imma so jemietlich; wir kenn nu schon die Kneipe, un det Bier is auch jut, un am erschten Mai, da machen wir denn ‘n Ausfluch mit Kind und Kejel und den janzen Vaein … und denn ahms is Fackelssuch … es is alles so scheen einjeschaukelt«, sacht er. »Wat brauchst du Jrundsätze«, sacht er, »wenn dun Apparat hast!« Und da hat der Mann janz recht. Ick werde wahrscheinlich diese Pachtei wähln – es is so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se nich. Und das is sehr wichtig fier einen selbständjen Jemieseladen!

(Kurt Tucholsky, »Ein älterer, aber leicht besoffener Herr«, 1930)

Ich hätte wirklich gerne etwas freundliches geschrieben, aber fiel nichts ein.

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