Faschisten mit Macht

Es war einer der kleineren Aufreger bei der Ergebnisverkündung der sächsischen Landtagswahl: Die erreichte und dann doch nicht erreichte Sperrminorität für die blau lackierten Faschisten. Und ganz Deutschland seufzte erleichtert auf, als der Landeswahlleiter verkündete, dass vorher leider das falsche Sitzverteilungsverfahren angewandt wurde und die AfD doch nur 40 Sitze erreichen konnte.1

Dieses kollektive Erleichtern übersieht aber etwas: Die Freien Wähler Sachsen haben einen Sitz im Landtag, der ihnen durch das Direktmandat des vor Ort sehr beliebten Grimmaer Oberbürgermeisters zusteht. Gemäß sächsischem Wahlrecht bleibt dieses Mandat auch dann erhalten, wenn Berger die Wahl nicht annimmt. Er hat sich offiziell noch nicht entschieden, aber es erscheint doch sehr unwahrscheinlich, dass er sein Oberbürgermeisteramt aufgibt, um als einziger Landtagsabgeordneter seiner Partei im Dresdner Parlament zu sitzen. Das passt weder zu seiner Persönlichkeitsstruktur (er ist jemand, der gerne gestaltet) noch wäre es aus parteitaktischer Sicht sinnvoll. Warum einen sicheren OBM-Posten aufgeben, wenn doch einfach jemand, der sonst gar nicht zum Zuge kommt, nach Dresden kann?

Gleichzeitig ist es offizielle Parteilinie der Freien Wähler Sachsen, nichts von der Abgrenzung zu Faschisten zu halten und selbst bei der FDP wegen zu großer Pegida-Nähe geschasste Politiker können bei den sächsischen Freien Wählern reüssieren.2

Sehr wahrscheinlich wird also folgendes passieren: Matthias Berger wird verkünden, dass leider das Ziel, als Fraktion in den Landtag einzuziehen, nicht erreicht wurde (tatsächlich haben die FW ja sogar deutlich an Zustimmung verloren) und er sich deshalb in der Verantwortung sieht, sein Amt in Grimma zum Wohle der Bürger usw. usf. zu behalten. Für ihn stattdessen in den Landtag nachrücken wird Thomas Weidinger. Der ist bereits bekannt dafür, den Beschluss seiner eigenen Bundespartei zur Nichtzusammenarbeit mit der AfD zu ignorieren.

Weidinger wird sich also entweder direkt der AfD-Fraktion anschließen oder aber fleißig mit ihnen stimmen. Und selbst wenn Berger das Mandat annimmt: Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass er anders handeln würde.3

Und zack, da hat auch die sächsische AfD ihre 41 Stimmen, die sie für die Sperrminorität braucht. Damit erhalten auch in Sachsen erwiesene Faschisten Zugriff auf die höchsten Organe der Rechtsprechung, können Verfassungsänderungen blockieren und überhaupt immer dann in Erscheinung treten, wenn es eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht.

Die eigentlich wehrhafte Demokratie, deren Waffen geschmiedet wurden aus der blutigen Erkenntnis heraus, dass Faschisten am Wahlerfolg nicht zu hindern sind, gibt damit einen weiteren Teil ihres Arsenals nicht nur auf, sondern überreicht ihren Feinden auch noch die Schlüssel dazu.

Michael Kretschmer, dem ich eines zumindest wirklich abkaufe, nämlich, dass er tatsächlich das meiste von dem, was er sagt, auch wirklich glaubt, ließ auf die Gesprächsangebote durch die AfD hin verlauten, dass er mit Leuten, die ihn gerade eben noch als “Volksverräter” beschimpften, nicht über eine Zusammenarbeit sprechen könne. Diese Klarheit wünsche ich mir öfter von der CDU.

Es ist zu wünschen, dass nicht nur bei ihm, sondern in der ganzen CDU hieraus eine Erkenntnis wächst: Auch wenn die AfD sich bürgerlich gibt – es sind und bleiben Faschos. Für sie seit ihr bestenfalls Steigbügelhalter, spätestens danach werden sie auch euch jagen. Und dagegen hilft nur entschlossenes Handeln.

Noch ist es nicht zu spät, aber viel Zeit bleibt nicht mehr. Die Hand an der Macht haben sie bereits.

  1. siehe hierzu mit kurzen juristischen Einschätzungen auch: AfD ver­liert einen Sitz und ver­passt damit die Sperr­mino­rität in: Legal Tribune Online, 02. September 2024 https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/landtagswahl-sachsen-rechenfehler-keine-sperrminoritaet-fuer-rechenfehler ↩︎
  2. ergänzend zu den verlinkten Beiträgen und zur Illustrierung der Tätigkeiten Genschmars siehe auch: Sebastian Kositz: Hetze im Netz: Ermittlungen gegen Spitze des Dresdner Obdachlosenvereins in: Dresdner Neueste Nachrichten, 19. Februar 2019, 06:14 Uhr
    https://www.dnn.de/lokales/dresden/hetze-im-netz-ermittlungen-gegen-spitze-des-dresdner-obdachlosenvereins-ZR7ZNWIY3LVCESL23Z7GNLNOWA.html ↩︎
  3. Robin Hartmann: Streit bei den Freien Wählern Sachsen über die Brandmauer zur AfD. erschienen bei: mdr Aktuell, 20. Februar 2024, 5:00 https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/freie-waehler-afd-brandmauer-100.html ↩︎

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