Auf dem Nachttisch (6)

Ein neuer Schwung Kurzrezensionen. Dieses Mal mit dem BND, einer Afghanistanreise, ermittelnden Rentern und einer Migrantenmutti.

Wolf Harlander: Systemfehler

Nach zunächst vereinzelten Ausfällen an neuralgischen Punkten bei kritischer Infrastruktur wie Kliniken, Flughäfen oder U-Bahnen, sind die europäischen Geheimdienste alarmiert. Anfangs allerdings zeigt man sich insbesondere beim BND nicht bereit, das Undenkbare zu denken: Könnte es einen Feind geben, der in der Lage ist, nach Belieben in die vernetzte Infrastruktur einzudringen und Krankenhäuser, Energieversorger, Verkehr – einfach alles und jeden lahmzulegen? Die Realität beendet dann zügig alles Leugnen, denn genau das geschieht. Wolf Harlander erzählt die Geschichte dieses Blackouts routiniert: Es gibt beim BND den Außenseiter, dem nicht geglaubt wird und natürlich wird zunächst ein Unschuldiger gejagt. Geschickt verknüpft er die Schilderung der mannigfaltigen Auswirkungen des Zusammenbruchs mit den verschiedenen Familienmitgliedern des Protagonisten. Durch ihre sehr unterschiedlichen Perspektiven und Lebensumstände gelingt dabei ein umfassender Rundumblick. IT-Fans werden sicherlich einige Ungereimtheiten und Unstimmigkeiten ausmachen können, aber Harlander zeichnet auf jeden Fall ein überzeugendes Bild davon, wie abhängig unsere moderne Welt von funktionierender Technik ist – und wie angreifbar sie ist, weil eben alles mit allem verbunden ist. Der Spannungsplot ist typisch für das Genre, ich fand die Auflösung etwas plump und wenig überraschend. Dass Harlander aber einen überzeugenden Blick auf die Berührungspunkte von Islamismus und Rechtsextremismus wirft und dabei darstellt, wie schnell beide zusammenarbeiten können, um das gemeinsam verhasste „System“ zu destabilisieren, ist jedoch ein echter Gewinn dieses Romans.

Buchdetails:
Wolf Harlander: Systemfehler : Thriller. Rowohlt Polaris Hamburg 2021, 493 Seiten, ISBN 978-3-499-00661-6 ; als Paperback 16 € ; als Taschenbuch 12 € ; als ebook 9,99 € ; als Hörbuch 19,95 €

Roger Willemsen: Afghanische Reise

2006 reist Roger Willemsen nach Afghanistan, in Begleitung einer afghanischen Freundin, um das Land kennenzulernen, das gerade eine 25jährige Kriegsgeschichte hinter sich hatte. Ein Land im Aufbruch, ein Land voller Hoffnung.

Willemsen zeigt sich als offener, interessierter Beobachter, der seinen Gesprächspartner:innen Raum gibt. Es ist berührend, wie in diesem geplagten Land Hoffnung aufkeimt, wie Menschen, die teils seit Jahrzehnten offen oder versteckt Freiräume suchen und geschaffen haben, jetzt endlich frei atmen und voller Tatendrang sind, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Und es schmerzt ungemein, davon nun zwanzig Jahre später zu lesen, da all dies wieder verloren ist.

Buchdetails:
Roger Willemsen: Afghanische Reise. Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2007, 221 Seiten, ISBN 978-3-596-17339-6 ; als Taschenbuch 12 € ; als ebook 9,99 € ; als Hörbuch 9,99 €

Richard Osman: Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel

Die Rentner-Gang des Donnerstagsmordclubs widmet sich dieses Mal einem zehn Jahre alten Fall. Die Journalistin Bethany Waites hatte in einem Steuerbetrugsfall recherchiert und wurde ermordet. Dieses Mal geraten sie allerdings auch ernsthaft in Gefahr, insbesondere als MasterMind Elisabeth entführt wird. Richard Osman ist ein routinierter Autor, der genau weiß, wie man Geschichten aufbaut und der ein Händchen für skurrile Charaktere hat. Mit Band drei lässt die Serie aber doch etwas nach – denn das Konzept lebt natürlich von der Originalität. Hier aber wirkt nun doch einiges schon etwas eingefahren. Aber das ist schon Jammern auf einem erheblichen Niveau, auch der dritte Fall ist souverän geschrieben und ein großer Spaß.

Buchdetails:
Richard Osman: Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel : Kriminalroman [OT: The bullett that missed] ; aus dem Englischen von Sabine Roth, 430 Seiten, List Verlag Berlin 2023, 978-3-471-36052-1 ; als Paperback 17,99 € ; als Taschenbuch 12,99 € ; als ebook 10,99 € ; als Hörbuch 18 €

Elina Penner: Migrantenmutti

Soziale Codes sind ganz häufig Distinktions- und Exklusionswerkzeuge. Häufig bewusst eingesetzt, sehr oft aber auch unbewusst. Elina Penner öffnet dazu mit klarem Blick, schnoddrigem Ton, kluger Reflexion und warmem Herzen viele Perspektiven.
An ganz alltäglichen Situationen – vom Mittagessen mit Gastkindern über Besucherstraßenschuhe bis zu Cousin-reichen Familienfeiern – zeigt sie die manchmal unsichtbaren Grenzen auf, die zu Missverständnissen, Ausgrenzung und Abwertung führen können.

Ihr unbestreitbares satirisches Talent macht aus dieser Essaysammlung eine Lektüre, die mir viel Freude gemacht hat, bei der ich sehr viel gelacht habe und über die ich immer wieder nachdenke.

Buchdetails:
Elina Penner: Migrantenmutti. Aufbau-Verlag Berlin 2023, 207 Seiten, ISBN 978-3-351-04208-0 ; als Paperback 18 € ; als ebook 13,99 € ; als Hörbuch 14,99 €

Gachmurets Notizblog per email abonnieren:

Kamillentee ist keine Option: Gedanken zu Tucholskys Pazifismus

Dry matricaria chamomilla as used to make tea.

Vorbemerkung: Dies ist der zweite Blogpost, der initial durch einen Social Media-Post des großartigen Frédéric Valin ausgelöst wurde. Der erste solcherart motivierte Post (gefühlte Äonen her) war dieser zu Marianne Fredriksson und meine zerstörten Lektüreprinzipien.

Auf dieser Website ist schon des öfteren die Position vertreten worden, dass es keine Frage des modernen Lebens gibt, zu der Kurt Tucholsky nichts zu sagen hätte. Es wäre aber ein Missverständnis, darin ein Schon der große Meister wusste zu sehen und nun anzunehmen, seine Texte als unabänderliche, endgültige Wahrheit und Weisheit zu betrachten. Das wäre zudem entsetzlich langweilig. Denn natürlich hat es in den rund 100 Jahren seit der Entstehungszeit reichlich Entwicklungen gegeben. Der besondere Reiz besteht aus meiner Sicht jedoch in der Auseinandersetzung mit diesen historischen, aber eben nicht völlig fremden Texten (ich glaube auch, dass die Auseinandersetzung mit mittelalterlichen Epen spannend ist, aber die Transferleistung ist naturgemäß ungleich größer).

Während es einige Suche bräuchte, um beispielsweise Tucholsky in Beziehung zu etwa Smartphones oder Large Language Models zu setzen, stehen interessierte Menschen zum Themenkomplex Krieg, Militarismus und Pazifismus vor dem gegenteiligen Problem: Die Fundstellen sind unermesslich. Von den überlieferten rund dreieinhalbtausend Texten beschäftigen sich nur wenige überhaupt gar nicht damit. Spätestens nach 1918 ist der Weltkrieg (damals zählte man noch nicht – und das ist entscheidend), seine Ursachen, Auswirkungen und die Verhinderung einer Wiederholung omnipräsent. Dementsprechend unmöglich ist es mir, hier eine Gesamtbetrachtung und letztgültige Darstellung von Tucholskys Pazifismusverständnis zu geben.

Aber mich plagt ein wenig die Bequemlichkeit der lauten Stimmen der Friedensbewegung, die sich entscheidenden Fragen nicht stellt. Die sich der Erkenntnis, dass nicht pazifistische Manifeste, sondern Bomber Harris und Millionen tote Rotarmisten den zweiten Weltkrieg nebst seinen Genoziden beendeten, verweigert. Ich habe dazu auch keine widerspruchsfreien Antworten, aber als Bilanz 80 Jahren kollektiven Nachdenkens ist das doch ein etwas trübes Ergebnis.

Ärgerlich aber wird es für mich, wenn man sich hinter der zur Aufkleber- und Posterphrase verkommenen Tucholsky-Losung Soldaten sind Mörder versteckt. Tucholsky war entschiedener Kriegsgegner und Antimilitarist, aber so banal, dass sich alles auf diese Formel reduzieren ließe, ist es dann auch wieder nicht.

Tucholskys Pazifismus und Antimilitarismus ziehen sich durch sein gesamtes Werk. Wenig überraschend ist der Weltkrieg eines der bestimmendsten Themen seiner Arbeit. In seiner politischen Publizistik ist das Thema sogar überhaupt nicht wegzudenken, er greift permanent darauf zurück. Wollte man also ein umfassendes Bild seines Pazifismus zeichnen, müsste man sein Gesamtwerk betrachten. Das ist meine Sache nicht.

Ich werde aber versuchen, mich dem anzunähern und ich denke, es lassen sich einige Impulse herauslesen, die manche unterkomplexe Vorstellungen in Frage stellen und zu weiterem Nachdenken anregen können. Dazu gilt es aber, zunächst einmal Tucholsky in seiner Historizität ernst zu nehmen.

Wenn Tucholsky über Krieg spricht, spricht er über einen anderen Krieg als wir heute. Mit dem 2. Weltkrieg hat sich Krieg so massiv verändert, dass jede Mutmaßung darüber, wie Tucholsky dazu stehen würde, ahistorischer Unsinn ist.

Das lässt sich zum Beispiel sehr deutlich daran erkennen, dass Tucholsky immer auf Fronterfahrung, auf das Töten von Soldaten durch Soldaten abhebt. An vielen Stellen verweist er auf die unterschiedliche Realität des Kriegserlebens an der Front im Vergleich zur Nicht-Front. Selbst im „Soldaten sind Mörder“-Text Der bewachte Kriegsschauplatz ist das evident.

Ein Krieg, der die komplette Bevölkerung militärisch einbezieht, ein Krieg mit Flächenbombardements, mit Raketen und Drohnen, ein moderner Krieg in seiner Totalität, der für uns schon kaum noch ohne Völkermord denkbar zu sein scheint: Das ist nicht der Krieg, von dem Tucholsky spricht.

Bei aller Rechtfertigung des Begriffs von der „Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ muss man doch konstatieren, dass der erste Weltkrieg in seiner militärischen Perspektive näher an 1870 als an 1939 ist. Fragen wie „Was würde Tucholsky zum Ukraine-Krieg sagen?“ oder „Hätte Tucholsky die Landung in der Normandie begrüßt?“ führen völlig in die Irre. Und vor diesem Hintergrund würde ich urteilen: Diese Frage ist nicht zu beantworten. Ich gehe sogar noch weiter: Sie ist völlig irrelevant. Es geht nicht darum, einen Götzen zu erschaffen und diesen nun zu befragen1, auf dass er uns erleuchte. Das ist Religionsersatz und Denkfaulheit.

Relevant ist: „Was sagen wir heute zum Ukraine-Krieg? Wie stehen wir zu militärischen Interventionen angesichts eines Genozids?“ Und natürlich kann man sich bei der Beantwortung dieser Fragen auf Tucholskys Pazifismus-Verständnis beziehen und daraus Gedanken und Antworten für die heutigen Herausforderungen entwickeln.

Hierbei gilt es zunächst einmal festzuhalten, dass Tucholsky keineswegs Kampf und Gewalt ablehnt. In seinem vielleicht noch am ehesten als Grundlagentext zu sehenden „Über wirkungsvollen Pazifismus“ schreibt er:

Wieweit zu sabotieren ist, steht in der Entscheidung der Gruppe, des Augenblicks, der Konstellation, das erörtert man nicht theoretisch. Aber das Recht zum Kampf, das Recht auf Sabotage gegen den infamsten Mord: den erzwungenen – das steht außer Zweifel. Und, leider, außerhalb der so notwendigen pazifistischen Propaganda. Mit Lammsgeduld und Blöken kommt man gegen den Wolf nicht an.

Getreu dem Motto Wir wollen kämpfen mit Haß aus Liebe. aus seinem einzigen echten Manifest ist er durchaus unerbittlich in der Frage, wie gegen Militarismus und Krieg, auch gegen direkte politische Gewalt vorzugehen sei. Ein Pazifismus der (Selbst-)Aufgabe ist da nicht zu erkennen. Ich illustriere das mal mit ein paar Beispielen:

„Aber wie sollen wir gegen kurzstirnige Tölpel und eisenharte Bauernknechte anders aufkommen als mit Knüppeln? Das ist seit Jahrhunderten das große Elend und der Jammer dieses Landes gewesen: dass man vermeint hat, der eindeutigen Kraft mit der bohrenden Geistigkeit beikommen zu können.“ (Wir Negativen, 1919)

Uns radikalen Pazifisten aber bleibt, entgegen allen Schäden des Reichsgerichts, das Naturrecht, imperialistische Mächte dann gegeneinander auszuspielen, wenn der Friede Europas, wenn unser Gewissen das verlangt, und ich spreche hier mit dem vollen Bewußtsein dessen, was ich sage, aus, dass es kein Geheimnis der deutschen Wehrmacht gibt, das ich nicht, wenn es zur Erhaltung des Friedens notwendig erscheint, einer fremden Macht auslieferte.[…] Wir halten den Krieg der Nationalstaaten für ein Verbrechen, und wir bekämpfen ihn, wo wir können, wann wir können, mit welchen Mitteln wir können. Wir sind Landesverräter. Aber wir verraten einen Staat, den wir verneinen, zugunsten eines Landes, das wir lieben, für den Frieden und für unser wirkliches Vaterland: Europa. (Die großen Familien, 1928)

Ihr seid die Zukunft!
Euer das Land!
Schüttelt es ab, das Knechtschaftsband!
Wenn ihr nur wollt, seid ihr alle frei!
Euer Wille geschehe! Seid nicht mehr dabei!
Wenn ihr nur wollt: bei euch steht der Sieg!
– Nie wieder Krieg –! (Drei Minuten Gehör, 1922)

Vier Jahre Mord – das sind, weiß Gott, genug.
Du stehst vor deinem letzten Atemzug.
Zeig, was du bist. Halt mit dir selbst Gericht.
Stirb oder kämpfe! Drittes gibt es nicht. (Rathenau, 1922)

Die stupide Anschauung Ernst Jüngers, Kampf sei das Primäre, das Eigentliche, wofür allein zu leben sich verlohne, steht auf ähnlichem Niveau wie die eines falschen Friedensfreundes, der jeden Kampf verabscheut und für Kamillentee optiert. Weder ewiger Kampf ist erstrebenswert noch ewige Friedfertigkeit. Nur Krieg … das ist eine der dümmsten Formen des Kampfes, weil er von einer recht unvollkommenen Institution und für sie geführt wird.“ (Schnipsel, 1930)

Möge das Gas in die Spielstuben eurer Kinder schleichen. Mögen sie langsam umsinken, die Püppchen. Ich wünsche der Frau des Kirchenrats und des Chefredakteurs und der Mutter des Bildhauers und der Schwester des Bankiers, dass sie einen bittern qualvollen Tod finden, alle zusammen. Weil sie es so wollen, ohne es zu wollen. Weil sie herzensträge sind. Weil sie nicht hören und nicht sehen und nicht fühlen. Leider trifft es immer die Falschen.“ (Dänische Felder, 1927)

Klar scheint mir mithin zu sein, dass Tucholsky Kampf und auch Gewalt für legitim hält, nicht nur um Krieg zu verhindern, sondern auch im Krieg selbst. Ob es einen gerechtfertigten Krieg geben kann? Es gibt es wie auch oben schon klare Hinweise, dass es in seinem ethischen Verständnis Gründe für den Einsatz von Gewalt gibt. Gerechte Kriege sind aber etwas anderes und wenn es Punkte gibt, in denen er völlig eindeutig und immer wieder glasklar ist, dann in seiner Ablehnung des Krieges an sich.

Ob aber angesichts von Holocaust und Porajmos, Völkermord und „Totalem Krieg“ militärisches Eingreifen nicht dennoch nötig ist, also die Frage des Gewalteinsatzes nicht doch die Stufe des Krieges überschreiten muss, weil die Ressourcen, die nötig sind, nur noch Staaten zur Verfügung stehen und eben nicht internen Widerständlern, ist eine Frage, der wir uns stellen müssen. Denn noch einmal, das ist eine ganz andere Form des Krieges. Ein Krieg, der von Tucholskys Definition von Krieg nicht wirklich erfasst wird. Vielleicht zentral für diesen Punkt diese Passagen:

Der moderne Krieg hat wirtschaftliche Ursachen. Die Möglichkeit, ihn vorzubereiten und auf ein Signal Ackergräben mit Schlachtopfern zu füllen, ist nur gegeben, wenn diese Tätigkeit des Mordens vorher durch beharrliche Bearbeitung der Massen als etwas Sittliches hingestellt wird. Der Krieg ist aber unter allen Umständen tief unsittlich. Es ist nicht wahr, dass in unsrer Epoche und insbesondere in der Schande von 1914 irgend ein Volk Haus und Hof gegen fremde Angreifer verteidigt hat. Zum Überfall gehört einer, der überfällt, und tatsächlich ist dieses aus dem Leben des Individuums entliehene Bild für den Zusammenprall der Staaten vollkommen unzutreffend. (Wofür?, 1925)

sowie, besonders deutlich:

Der Pazifist hat jedoch in seinem Kampf gegen den Krieg recht, weil er es ablehnt, über das Leben andrer Menschen zu verfügen. Ich fühle in keiner Hinsicht vegetarisch: es mag Situationen geben, in denen Blut zu vergießen kein Unrecht ist. Als Grundforderung aber muß aufrechterhalten werden, daß niemand das Recht hat, über das Leben seiner Mitmenschen zu verfügen, um sich selber zu erhöhen. Das aber tut der Soldat.“ (Der Leerlauf eines Heroismus, 1930)

Ich fühle in keiner Hinsicht vegetarisch: es mag Situationen geben, in denen Blut zu vergießen kein Unrecht ist. Diesen Satz bitte ins Stammbuch all jener, die meinen, Frieden und Freiheit seien ohne Einsatz zu bekommen, wenn der Gegner zu allem entschlossen ist. Kurz vor seinem Tod wurde er da noch einmal deutlicher. Da sind wir schon im Jahr 1935, die Nazis fest im Sattel und die Welt halbgar irgendwie dagegen.

Will man aber den Krieg verhindern, dann muß man etwas tun, was alle diese nicht tun wollen: Man muß bezahlen.

Ein Ideal, für das man nicht bezahlt, kriegt man nicht.

Ein Ideal, für das ein Mann oder eine Frau nicht kämpfen wollen, stirbt – das ist ein Naturgesetz. Der Rest ist Familiäre Faschingsfeier im Odeon. (Beilage zum Brief an Hedwig Müller vom 16.3.1935)

Und später:

Ich habe einen Interventionskrieg stets für wahnsinnig gehalten, das wäre so, wie wenn man meine Mama, um sie zu ändern, ins Gefängnis sperren wollte. Was sollte dieser Krieg? Die boches sind boches – was nützt der Krieg? Aber:

Zwischen diesem Krieg und einer energischen und klaren Haltung aller Mächte Europas ist noch ein großer Unterschied. (Beilage zum Brief an Hedwig Müller vom 16.3.1935)

Und, vielleicht noch ganz interessant wegen des persönlichen Bezuges:

Ich habe mich dreieinhalb Jahre im Kriege gedrückt, wo ich nur konnte – und ich bedaure, daß ich nicht, wie der große Karl Liebknecht, den Mut aufgebracht habe, Nein zu sagen und den Heeresdienst zu verweigern. Dessen schäme ich mich. So tat ich, was ziemlich allgemein getan wurde: ich wandte viele Mittel an, um nicht erschossen zu werden und um nicht zu schießen – nicht einmal die schlimmsten Mittel. Aber ich hätte alle, ohne jede Ausnahme alle, angewandt, wenn man mich gezwungen hätte; keine Bestechung, keine andre strafbare Handlung hätte ich verschmäht. Viele taten ebenso. Und das nicht, weil wir etwa, im Gegensatz zu den Feldpredigern, Feldpastoren, Feldrabbinern, die Lehren der Bibel besser verstehen als sie, die sie fälschten – nicht, weil wir den Kollektivmord in jeder Form verwerfen, sondern weil Zweck und Ziel dieses Krieges uns nichts angehen. Wir haben diesen Staat nicht gewollt, der seine Arbeiter verkommen läßt, wenn sie alt sind, und der sie peinigt, solange sie arbeiten können; wir haben diesen Krieg nicht gewollt, der eine lächerliche Mischung von Wirtschaftsinteressen und Beamtenstank war, im wahren Sinne des Wortes deckte die Flagge die Warenladung. (Wo waren Sie im Kriege, Herr – ?, 1926)2

Unschwer zu erkennen, dass der Brecht’sche Gedanke vom Krieg als Fortführung der Geschäfte mit anderen Mitteln durchaus nicht originär dessen Idee war (wie ja überhaupt sehr viele der Brecht’schen Gedanken, aber das ist ein anderes Thema). Tatsächlich war der Gedanke, die Ursache der Kriege seien kapitalistische Interessen, weitaus weniger kontrovers als er es heute ist (Chapeau an die neoliberale Propaganda an dieser Stelle, das ist schon eine bemerkenswerte Leistung, aber auch das ist ein anderes Thema).

Was aber nun? Kann die Lösung sein, es einfach hinzunehmen, wenn Faschisten die Macht übernehmen? Verbrecherische Regierungen einfach machen lassen und wenn Krieg ist, hoffen, dass die Résistance regelt? Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Wenn das die Antwort des Pazifismus ist, ist das ein bisschen wenig. Es war übrigens auch schon Tucholsky zu wenig. Auch die folgende Passage aus dem Brief an Hedwig Müller möchte ich dem einen oder anderen Friedensbewegten ins Stammbuch schreiben:

Zu machen war:

Boykott. Blockade. Innere Einmischung in diese Barbarei, ohne Krieg zu führen. Vor allem aber, und das halte ich für das schrecklichste: die geistige Haltung hätte eben anders sein müssen, aber sie konnte nicht anders sein, denn da ist nichts. Man siegt nicht mit negativen Ideen, die ja stets das Verneinte als Maß aller Dinge anerkennen – man siegt nur mit positiven Gedanken. Europa hat keine. Beharren ist nichts. Es geht zurück. Es verliert.

Zu haben war, bei der Gemütsart der boches: Sturz des Regimes, äußerste Vorsicht der Reichswehr, Zurückdämmung der Rüstungen, Verzicht auf einen Überfall im Osten, wenigstens für lange Jahre.
Es gibt keine geistige Position, von der aus ich das sagen könnte. Es hat so etwas verfehlt savonarolahaftes: der verlangt Opfer! Und die tiefe Beschämung, daß da doch etwas nicht stimmt, verwandelt sich in Ablehnung und Wut, »man will das nicht mehr hören«, und »Auf einmal so kriegerisch?« – es gibt keine geistige Position. Daher mein Schweigen. (Beilage zum Brief an Hedwig Müller vom 16.3.1935)

Als Quintesszenz möchte ich argumentieren: Tucholsky war vor allem Antimilitarist. Seine pazifistischen Ansichten beruhen vor allem auf diesem Antimilitarismus und weitaus weniger auf einer gewaltfreien Weltanschauung.

Das Zitat "Soldaten sind Mörder" von Kurt Tucholsky, aufgenommen an einer Hauswand in Berlin, ca. 1996
Von PhJ - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12837341

Abschließend noch ein paar Worte zum wohl berühmtesten Tucholsky-Zitat (nach oder neben der leider ebenfalls zur Phrase verkommenen Was darf die Satire?-Pointe). Spannend an diesem Satz ist vor allem seine Rezeptionsgeschichte, die von Anfang an auch eine juristische war.

Eine gute Zusammenfassung der Debatten in Weimar und Bonn/Berlin findet sich bei Michael Hepp und Viktor Otto. Ihr Buch ist bei Google Books zugänglich, vielleicht hat es auch eine Bibliothek in der Nähe.

Auf die juristische Debatte möchte ich nicht groß eingehen, zum einen, weil ich die für die Pazifismus-Frage für zweitrangig halte und zum anderen, weil ich da nicht wirklich kompetent bin. Und sie ist in den letzten dreißig Jahren tatsächlich weitergegangen. Wenn ich die Kommentare richtig verstehe, dann damit, dass die Jurisprudenz weitgehend versucht, das BVerfG-Urteil zu umgehen. Ich meine zu beobachten, dass die herrschende Meinung hier die Begründung des BVerfG nicht überzeugend findet.

Ein juristischer Punkt scheint mir aber für das Verständnis des Zitates wichtig zu sein: Die Mord-Definition der Weimarer Republik war eine deutlich andere als unsere heutige, die ja auf der Nazi-Definition von Mord beruht. Seinerzeit lautete die juristische Definition:

Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird, wenn er die Tötung mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft.3

Das ist natürlich eine ganz andere Diskussionsgrundlage als die heutige Morddefinition mit ihrem Nazi-Geraune von niederen Beweggründen und sittlichem Empfinden.4 Und wir dürfen davon ausgehen, dass Dr. iur. Kurt Tucholsky, der während der Weimarer Republik viel zur Justiz publizierte, sich der Definition vollkommen bewusst war.

Zum Zitat selbst gibt es gar nicht so wahnsinnig viel zu sagen. Es ist ein Kernpunkt bei Tucholskys Position zum Soldatentum, dass er es strikt ablehnt, den Menschen in einen „Zivilisten“ und einen „Soldaten“ aufzusplitten. Auf das Individuum bezogen nicht eben subtil zu sehen in Kleine Begebenheit (1921). Und diese Auffassung bezieht sich dann eben auch auf die gesellschaftliche (und implizit dann eben auch juristische) Bewertung.

Im „Soldaten sind Mörder“-Text Der bewachte Kriegsschauplatz exerziert er genau das durch. Und das war es eigentlich auch schon, der Rest ist Aufregung. Tatsächlich entsteht die Bedeutung ganz klar erst durch die Rezeption, die zu Freisprüchen sowohl in der Weimarer wie auch in der Bonner und der Berliner Republik führte.

Es ist äußerst spannend, die Reaktionen zu vergleichen und ich finde es geradezu bedauerlich, wie er zu einer äußerst unterkomplexen Phrase der Friedensbewegung wurde. Aber für Tucholskys Pazifismus-Verständnis ist der Satz geradezu banal. Und leider ist seine Verwendung heute ebenfalls banal – verkommen zur Sticker- und Posterphrase, die zu nichts verpflichtet, schon gar nicht zum Nachdenken.

Textliste zum Weiter- und Nachlesen:

  1. Tatsächlich ginge das vermutlich inzwischen sogar, sobald die Gesamtausgabe mal digital vorliegt, könnte man mit den überlieferten Texten und Briefen ein LLM trainieren – das ganze kombiniert mit den Bildern, die wir haben und wir könnten wären schon sehr nah an den einschlägigen Star Trek-Episoden. Was noch fehlt: Tonaufnahmen. Das ist wirklich tragisch, denn er soll mitreißend gewesen sein. ↩︎
  2. Wer sich genauer dafür interessiert, wie sich Tucholsky verhalten hat, als er in seinem Leben tatsächlich einmal real vor der Frage stand, wie er sich im Krieg verhalten soll, dem sei der Ausstellungsband Böthig/Sax: Wo waren Sie im Kriege, Herr- ? (Begleitband zur Ausstellung im Kurt Tucholsky Museum Rheinsberg 2015) empfohlen. ↩︎
  3. aus dem Wikipedia-Artikel zum Tucholsky-Zitat ↩︎
  4. siehe hierzu beispielsweise Philipp Preschany: Über die Notwendigkeit einer Reform des Mordtatbestands (§ 211 StGB) aus rechtsgeschichtlicher Sicht in: Kriminalpolitische Zeitschrift 4/2023 ↩︎

Auf dem Nachttisch (5)

In der fünften Ausgabe der Nachttischrezensionen geht es dieses Mal recht heftig zu. Ohne Machtmissbrauch oder Gewalt kommt dieses Mal kein Buch aus…

Anna Benning: Was die Magie verlangt

Genre-Literatur wird gerne mal naserümpfend betrachtet. Und spätestens seit es Buchblogs gibt, tobt darum ein immer wieder aufflammender Diskurs. Leider dreht dieser sich seit zwanzig Jahren im Kreis, weil es den Diskursteilnehmenden nicht gelingt, ihre Begriffe und Kategorien zu klären. Ich möchte mich daran nicht beteiligen, wie gehabt steht dieser Blog unter dem Moers’schen Diktum Lest Straßenschilder und Speisekarten, lest die Anschläge im Bürgermeisteramt, lest von mir aus Schundliteratur – aber lest! Lest! Sonst seid ihr verloren!

Beim Auftakt der Dark-Sigils-Trilogie handelt es sich um Urban Fantasy, noch dazu welche, die sich an Menschen mit einer kurzen Lesebiographie richtet. Wir begleiten die junge Heldin Rayne, die in den Armenvierteln Londons lebt und dort versucht über die Runden zu kommen, bei der Entdeckung ihrer mächtigen Fähigkeiten, die sie beherrschen lernen muss und die sie gleichzeitig weit aus ihren gewohnten Lebenszusammenhängen führen. Magie beruht in diesem Universum auf einer dunklen Flüssigkeit, die in Artefakten – Sigils – eingeschlossen ist.

Das gelingt ihr nicht ohne Unterstützung, insbesondere durch Protagonist:innen, die im Umgang mit der Magie geübter sind und mehr über deren Regeln und Wirkungen wissen.

Und bei aller Auserwähltheit, die offenkundig ist und Lesende daher fest an Raynes Überleben und Erfolg glauben lässt, erlaubt Anna Benning ihrer Heldin Fehler, Scheitern und Lernen. Das macht mir den spannend, flüssig und gut geschriebenen Roman sehr sympathisch. Diese Heldin habe ich gerne begleitet.

Buchdetails:
Anna Benning: Was die Magie verlangt [=Dark Sigils Band 1], Fischer KJB Frankfurt am Main, 2022, 482 Seiten, 978-3-7373-6200-9 ; als Hardcover 19 € ; als ebook 14,99 € ; als Taschenbuch (ET August 2025) 11,90 € ; als Hörbuch 24,95 €

Stephen Fry: Troja

Die Neuerzählung antiker Mythen ist ein literarischer Dauerbrenner. Jede Zeit scheint ihren ganz eigenen Zugriff darauf zu suchen und bietet in der Auseinandersetzung mit den inzwischen jahrtausendealten Stoffen spannende Einblicke in ihren jeweiligen Zeitgeist.

Ob Stephen Fry nun als prototypischer Vertreter des Zeitgeistes betrachtet werden kann (wie es etwa Gustav Schwab zweifellos war), daran habe ich doch einige Zweifel. Aber ohne Zweifel repräsentiert er einen zeitgenössischen Blick.

In einer reizvollen Nacherzählung des komplexen Ilias-Stoffes brilliert Fry durch Humor und Lockerheit, ohne dabei albern oder flapsig zu werden. Damit gelingt es ihm meiner Meinung nach sehr gut, eine klassische Perspektive ins Hier und Heute zu transponieren. Dabei entseht ein kurzweiliges Werk, das sich ausgezeichnet lesen und dabei den schieren Umfang glatt vergessen lässt. Eine Neuerzählung oder gar Neudeutung des Mythos ist das nicht. Muss es ja aber auch gar nicht sein.

Buchdetails:
Stephen Fry: Troja : von Göttern und Menschen, Liebe und Hass [OT: Troy] ; aus dem Englischen von Matthias Frings, Aufbau-Verlag Berlin 2022, 375 Seiten, ISBN 978-3-351-03927-1 ; als Hardcover 26 € ; als ebook 16,99 € ; als Taschenbuch 16 € (ET November 2025) ; als Hörbuch 24 €

Anika Landsteiner: Nachts erzähle ich Dir alles

Léa muss aus ihrem Leben heraus – und ist in der glücklichen Lage, das leer stehende Familienanwesen an der Côte d’Azur benutzen zu können. Wie häufig bei solchen Fluchten so ist auch diese der Auftakt einer Katharsis. Zunächst aber begegnet ihr eine junge Frau, die das Gelände und Haus gerne als Rückzugsort nutzt, als einen safe space vor all den Zumutungen, mit denen heranwachsende junge Frauen konfrontiert werden.

Sie sprechen lange miteinander, direkt und herausfordernd die eine, sich plötzlich sehr erwachsen fühlend die andere. Am nächsten Tag ist die junge Besucherin tot und zusammen mit ihrem verzweifelten Bruder beginnt Léa nachzuforschen, was geschehen ist.

Dabei wird ihr allmählich klar, dass Haus, Anwesen und Ort durchaus nicht der idyllische Rückzugsort ihrer Erinnerung ist. Was nach einem durchaus kitschigen Plot klingt, ist in Wirklichkeit die Geschichte einer Ermächtigung. Einer Selbstermächtigung, die die Komplexität von Gegenwart, Vergangenheit und den vielfältigen Beziehungen sich nahe stehender Menschen akzeptiert und kennt, sich darin aber eben nicht verliert, sondern zur Selbstbestimmung führt. Ein Roman, zurückhaltend in Sprache und Form – aber wuchtig in seiner Wirkung.

Buchdetails:
Anika Landsteiner: Nachts erzähle ich dir alles : Roman, Fischer KRÜGER Frankfurt am Main 2023, 366 Seiten, ISBN 978-3-8105-3087-5 ; als Hardcover 24 € ; als ebook 12,99 € ; als Taschenbuch 14 € ; als Hörbuch 19,49 €

Anne Holt: Ein notwendiger Tod

Selma Falck wacht in einer brennenden Hütte irgendwo im Schnee auf irgendeinem Berg auf. Es gelingt ihr, sich geradeso noch zu retten, ehe das Gebäude bis auf die Grundmauern abbrennt.

Ganz offenkundig sollte sie sterben – jemand anderes ist aber auch gestorben. Während sie sich durch Kälte, Schnee und Wildnis und um ihr Leben kämpft, gewinnt sie allmählich ihre Erinnerungen zurück.

Aus den Rückblicken wird allmählich klar, dass hier ein Komplott geschmiedet wurde. Eines von nationaler Bedeutung, mit tief in die Politik und Geschichte verstrickten Protagonisten. Und damit ist zusätzlich klar: Sie befindet sich in einem Wettlauf mit der Zeit.

Anne Holt ist eine erfahrene Krimischriftstellerin, gerade in Sachen Politkrimi. Und so ist denn auch dieser Roman – der zweite in ihrer Selma Falck-Reihe – sauber gearbeitet und handwerklich ohne Fehl und Tadel. Ich persönlich bin aber nicht so der ganz große Freund von „Eine gegen die Welt“-Settings. Das ist aber eine Geschmackssache.

Buchdetails:
Anne Holt: Ein notwendiger Tod : Selma Falcks zweiter Fall : Kriminalroman [OT: Furet/værbitt] ; übersetzt von Gabriele Haefs, Atrium Verlag Zürich 2022, 476 Seiten, 978-3-85535-124-4 ; als Hardcover 22 € ; als ebook 11,99 € ; als Taschenbuch 13 € ; als Hörbuch 21,99 €

Auf dem Nachttisch (4)

Es gibt weiterhin noch einiges an Lektüre aufzuarbeiten. Heute habe ich im Angebot: Liebe, Mord und Historie – den gängigen Branchen-Narrativen nach sollte diese Zusammenstellung Riesen-Erfolg garantieren. Nun, wir werden sehen…

Coverabbildung des Buches Es ging immer nur um Liebe von Musa Okwonga

Musa Okwonga:
Es ging immer nur um Liebe

Wie ist es, als PoC nach Berlin zu ziehen? Wo ein Zimmer finden, wie sich zurechtfinden, wie zugewandte Menschen finden?

Ich weiß es nicht und ich werde es wahrscheinlich auch nie wissen. Zumindest nicht in dem Maße, wie ich viele andere Zu- und Umstände weiß und wissen kann. Musa Okwonga erzählt davon, eher in Episoden als in einer geradlinig verlaufenen Geschichte – aber hey, ist das Leben nicht auch genau so? Und so erzählt er vom Fußballspielen, von Café-Besuchen, von Freund:innen, von Liebe und Verlust, Vergangenheit und der Suche nach einer Zukunft. Seine zarte Sprache erzeugt dabei ein Gefühl von Zerbrechlichkeit und hat mich sehr berührt. Okwonga erzählt so schwerelos von Schwere, das ist ein echtes Erlebnis.

Buchdetails:
Musa Okwonga: Es ging immer nur um Liebe : Roman [OT In the end, it was all about love]; aus dem Englischen von Marie Isabel Matthews-Schlinzig, mairisch Verlag Hamburg 2022, 148 Seiten, ISBN 978-3-948722-19-7 ; als Hardcover 20 €, als Taschenbuch (ET 1.8.25) 14 €, als ebook 9,99 € ; als Hörbuch 9,99 €
Bei yourbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen

Amy McCulloch:
Der Aufstieg

Es ist die Chance ihrer jungen Karriere: Reisejournalistin Cecily bekommt die Möglichkeit, exklusiv und als Erste den Bergsteiger Charles McVeigh zu interviewen. Diesem ist es gelungen, innerhalb eines Jahres bereits 13 Achttausender zu besteigen. Nun macht er sich auf den Weg, auch noch den vierzehnten – den Manaslu – innerhalb dieser Frist zu erklimmen und sich so einen Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern.

Allerdings darf sie dieses Interview erst nach erfolgreichem Abschluss dieser Mission führen und außerdem soll sie ihn dabei begleiten. Cecily ist keine ungeübte Bergsteigerin, aber der Snowdon ist doch ein etwas anderes Kaliber als ein nepalesischer Achttausender. Und außerdem ist das Thema Bergsteigen für sie nicht ganz unbelastet.

Aber natürlich muss sie diese Chance ergreifen und zusammen mit einer illustren Gruppe beginnt der Aufstieg.

Dieser Roman wäre kein Thriller, wenn alles glatt ginge. Geht es auch nicht, ganz im Gegenteil entgleist die Kampagne zusehends und die Anzahl der Lebenden sinkt kontinuierlich. Amy McCulloch ist eine geübte Autorin und sie hat hier einen spannungsreichen, atmosphärischen Thriller geschrieben, der sowohl von ihrem gekonnt gebauten Plot profitiert als auch das Setting perfekt einfängt. Die ganz besonderen Bedingungen im Höchstgebirge (darf man das so schreiben?), mit der Kälte, dem Schnee, den unvorhersehbaren Abgründen, der dünnen Luft und den äußerst problematischen Sichtbedingungen (insbesondere, wenn man gejagt wird) macht sie erlebbar, geradezu spürbar. Ich war jedenfalls gefangen und habe diesen Thriller geradezu atemlos gelesen.

Buchdetails:
Amy McCulloch: Der Aufstieg : in eisiger Höhe wartet der Tod : Thriller [OT: Breathless] ; aus dem Englischen von Leena Flegler, Piper Verlag München 2022, 494 Seiten, 978-3-492-06343-2 ; als Paperback 17 € ; als ebook 12,99 € ; als Taschenbuch 13 € (ET 1.10.25) ; als Hörbuch 17 €
Bei youbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen

Natasha Pulley:
Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit

1898 wird Joe Tournier am Bahnhof Gare du Roi in Londres aufgefunden – er hat keinerlei Erinnerungen und wird folgerichtig in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Die kann er zwar wieder verlassen, aber dass er daraufhin eine Postkarte erhält, die 90 Jahre alt ist, ihn – den „liebsten Joe“ aber auffordert, nach Hause zu kommen, ist nicht geeignet, seine Irritation gegenüber dieser Welt zu verringern.

Warum in London französisch gesprochen wird, was diese Postkarte soll und warum da ein Leuchtturm drauf ist – das sind nur einige der Indizien, die darauf hindeuten, dass diese Welt nicht in dem Jahr 1898 liegt, das wir kennen.

Natasha Pulley erzählt auf mehreren Ebenen von Verschiebungen im Raum-Zeit-Gefüge und den den Auswirkungen, die es hat, wenn die Machtoptionen erkannt werden, die sich aus der Kontrolle darüber ergeben (Trekkies wird der Gedanke nicht fremd sein). Der Roman ist detailreich ausgearbeitet und geübte Phantastik-Lesende werden eventuell von den Auflösungen der Geheimnisse nicht übermäßig überrascht sein. Wie ihr ganz generell die Konventionen des Genres nicht fremd sind. Mir scheint es aber äußerst unfair, einem phantastischen Roman vorzuwerfen, dass er ein phantastischer Roman ist. 😊Ich bin ihr daher sehr gerne gefolgt und fühlte mich sehr gut unterhalten. Besonders empfehlen möchte ich den Roman aber Menschen, die eine noch junge Lesebiographie haben – ich bin mir sicher, sie werden hier etliche Anknüpfungspunkte finden, über die nachzudenken sich lohnt.

Buchdetails:
Natasha Pulley: Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit : Roman [OT: The Kingdoms] ; aus dem Englischen von Jochen Schwarzer, Klett-Cotta Stuttgart, 536 Seiten, 978-3-608-98636-5 ; als Hardcover 25 € ; als ebook 10,99 € ; als Taschenbuch 14 € ; als Hörbuch 17,49 €
Bei yourbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen

Karen Duve: Sisi

Ist es überhaupt noch möglich, über Kaiserin Elisabeth von Österreich zu schreiben? Sie gehört zu den Menschen, deren Mythos derart übergroß geworden ist, dass ihr alles Menschliche fremd geworden zu sein scheint.

Es hat in den letzten Jahrzehnten immer wieder Versuche gegeben, diesen Mythos zu dekonstruieren und die Frau, die doch ein Mensch war, wieder hervortreten zu lassen. Bisher aber hat sich Sissi noch immer gegen Sisi durchgesetzt.

Karen Duve nähert sich in ihrem Roman der Figur auf ungewohnte Weise. Anstatt das Panorama ihres ganzen Lebens auszubreiten, beschränkt sie die Handlung auf eine kurze Zeitspanne in Elisabeths Leben und die handelnden Figuren auf dementsprechend wenige. Sie zeichnet eine Frau, die sich ihrer Privilegien nicht nur bewusst ist, sondern sie auch einzusetzen weiß. Und das keineswegs vorrangig altruistisch. Mir gefällt diese Figur sehr – nicht, weil ich sie überaus sympathisch fände und nicht einmal deshalb, weil sie sehr heftig an Mythos und Legende rüttelt, sondern weil sie einen Menschen in seiner Zeit und seinem Stand zeigt. Eine Frau, die durchaus Teil eines um sich selbst kreisenden Milieus ist und sich in diesem bewegt, Handlungsräume nutzt und Sympathien und Antipathien pflegt. Dass Karen Duve den Zeitrahmen eher kurz setzt, ermöglicht ihr, Schwerpunkt auf facettenreiche und tiefgehende Charakterporträts zu legen und ein Panoptikum zu schaffen, das nicht gerade von Identifikationsfiguren bevölkert ist. Dafür aber von Menschen, die zumindest ich sehr lebhaft vor Augen hatte.

Buchdetails:
Karen Duve: Sisi : Roman, Verlag Galiani Berlin, Köln 2022, 408 Seiten, ISBN 978-3-86971-210-9 ; als Hardcover 26 € ; als ebook 10,99 € ; als Taschenbuch 14 € ; als Hörbuch 10 €
Bei yourbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen

Auf dem Nachttisch (3)

Der NGB (Nachttisch gelesener Bücher) ist reichlich vollgeräumt, es wird Zeit, den wieder etwas freizuräumen. Mithin, let’s go!

Cover des Buches "Fischers Frau" von Karin Kalisa

Kuratorin Maria Sund stößt auf ein bemerkenswertes Exemplar eines alten Fischerteppichs. Einst als Ersatzbeschäftigung für arbeitslose Fischer und ihre Familien entwickelt, haben sich solche Teppiche zu einem eigenen Genre der Teppichkunst entwickelt. Dass diese Tradition zudem in der Gegenwart so gut wie verschwunden ist, macht sie selbstredend auch zu attraktiven Kunsthandelsgegenständen. Nebst der dann unweigerlich auftretenden Fälscherbegleitmusik. Als Kuratorin muss Mia Sund ergründen, woher das Exponat stammt – und natürlich, ob es echt ist. Dies ist der Ausgangspunkt für eine Reise, die sie verändern wird. Ein Teppich als Metapher für Geschichten, noch dazu miteinander verknüpfte, ist aus guten Gründen beliebt. Erzählen uns Teppiche doch seit Jahrhunderten bereits Geschichten – in ihren Motiven ebenso wie in ihrer Provenienz. Karin Kalisa erzählt in zwei aufeinanderzulaufenden Geschichten eindrücklich die Lebensgeschichten zweier Frauen, die in ihrer jeweiligen Zeit ihren Platz im Leben suchen und finden.

Das ist gut erzählt, ich habe das sehr gerne gelesen – und eine ganze Menge über Fischerteppiche gelernt. Als Wochenend- oder Urlaubslektüre unbedingt zu empfehlen. 🙂

Buchdetails:
Karin Kalisa: Fischers Frau : Roman. Droemer München 2022, 255 Seiten. ISBN 978-3-426-28209-0, 22 € ; als Taschenbuch 12,99 € ; als ebook 9,99 € ; als Hörbuch 20,95 €
Bei yourbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen

Diaz erzählt vom Leben eines Börsenspekulanten, der zu erheblichem Reichtum gelangt. Dies gelingt – wenig überraschend – nicht durch moralisch einwandfreies Verhalten. Ein Topos, das in der US-amerikanischen Literatur nicht gerade unterrepräsentiert ist. Diaz hält sich allerdings mit Holzhammern und ausgiebigen Erörterungen zurück. Das ist sehr wohltuend. Stattdessen setzt er auf die Kraft der erzählten Geschichte, die er aus vier sehr verschiedenen Perspektiven erzählt und geschickt miteinander verknüpft. Jede dieser vier Perspektiven ist auf ihre Weise „wahr“ und natürlich eignet sich kaum etwas mehr dazu, aufzuzeigen, wie unsere Handlungen von unseren Perspektiven und unseren Annahmen geleitet werden, wie die Börsenwelt. Ich mag an diesem Roman neben seiner wirklich überaus gelungenen Struktur (ich rate davon ab, diesen Roman in zu kleinen Häppchen zu lesen, es könnte schwierig werden, die Fäden wiederzufinden) vor allem das Vertrauen in sein Publikum. Diaz erzählt, er urteilt nicht. Was nicht heißt, dass sich hier keine Position herauslesen lässt – aber sie will eben herausgelesen werden, sie wird nicht postuliert.

Buchdetails:
Hernan Diaz: Treue : Roman [OT: Trust] ; aus dem Englischen von Hannes Meyer. Hanser Berlin München 2022, 411 Seiten, ISBN 978-3-446-27375-7, 27 € ; als Taschenbuch 15 € ; als ebook 19,99 € ; als Hörbuch 25,95 €
Bei yourbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen

Maike stirbt bei einem Zusammenstoß mit einem Stier – und Henri steht urplötzlich vor der Aufgabe, über die Zukunft ihres Handarbeitsladens „Nähschiff & Nadelflotte“ nebst zugehörigem Häkelclub zu entscheiden. Natürlich wird er von seinen Verkaufsplänen abkommen und auch an der Unglücksursache von Maikes Tod regen sich bald Zweifel.

Zu diesem Buch habe ich gegriffen, weil ich die Ausgangssituation ganz putzig fand und mir dachte, daraus könnte doch etwas entstehen. Aber leider hat mich die Umsetzung nicht überzeugt. Ich habe durchaus eine Schwäche für Cosy Crime – manchmal tut so ein bisschen Eskapismus nicht nur Not, sondern auch gut. Hier aber sind mir – bei allem Zugeständnis an die genreinhärenten Konventionen – die Figuren zu hölzern, die Geschichte zu schleppend geraten. Schade.

Buchdetails:
Karla Leterman: Mörderische Masche : ein Fall für Henri und den Häkelclub. Deutscher Taschenbuch Verlag München 2022, 285 Seiten, 978-3-423-22039-2, 10,95 € ; als ebook 9,99 € ; als Hörbuch 20,95 €
Bei yourbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen

Die Geschichte klingt kompliziert: Reese und Amy sind ein glückliches Paar in New York, als sich Amy zu einer Detransition entscheidet. Wieder Ames, wird drei Jahre später seine Chefin Katrina von ihm schwanger. Und Ames hat die Idee, das Kind zu dritt aufzuziehen.

Das klingt nicht nur kompliziert, es klingt auch konstruiert und ich hatte die leise Befürchtung, hier könnte es vor allem um Botschaft gehen. Aber: Nicole Seifert hat den Roman übersetzt – und das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Lektüre lohnend ist. So ist es auch, das im Vorfeld irgendwie gewollt, geradezu künstlich klingende Szenario, ist es überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil, eine „natürlichere“, klarere Geschichte habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Gut möglich, dass ich hier im Vorfeld Opfer meines Bias und meiner Berührungsängste wurde. Amy/Ames Geschichte wird mit einem bitteren Humor und ungeschminkt erzählt, entwickelt dabei einen starken Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. Mir eröffneten sich dabei Lebensrealitäten, die mir aus eigener Anschauung völlig fremd sind. Und hey, darum geht es doch bei Literatur schließlich, oder?

Ein wunderbares, warmherziges Buch aus einer Welt voller Zweifel, Ansprüche, Hoffnungen und Sehnsüchte. Dem Leben halt.

Buchdetails:
Torrey Peters: Detransition, Baby : Roman [OT Detransition, Baby] ; aus dem Englischen von Nicole Seifert und Frank Sievers. Ullstein Berlin 2022, 460 Seiten, ISBN 978-3-550-20204-9, 24 € ; als Taschenbuch 13,99 € ; als ebook 10,99 € ; als Hörbuch 24,95 €
Bei yourbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen

Auf dem Nachttisch (2)

Keine lange Vorrede heute, es geht ohne Umschweife einfach los mit der zweiten Ausgabe der Kurzrezensionen.

Petra Johann: Der Steg

Es gibt das Bonmot, ein Mord sei überhaupt nicht schwer – schwierig sei, die Leiche loszuwerden. Auch für Priska beginnen die Schwierigkeiten mit einem Toten, der zur Unzeit in der Nähe ihres Grundstücks ins Wasser fällt. Was genau geschah und welche Ereignisse zu dieser Situation geführt haben, wird erst im Laufe der Handlung klar. Eine Handlung, im Laufe derer Priska nicht nur darum kämpft, dass ihr der Tod nicht zugerechnet wird, sondern vor allem um das Leben, das sie sich aufgebaut hat.

Wie lange wird es Priska gelingen, ihr zerstörerisches Geheimnis zu wahren? Und welchen Preis wird sie dafür zahlen müssen, welche Schritte muss sie noch gehen, um die Fassade zu wahren? Das sind die Leitfragen dieses Thrillers, im Laufe dessen wir die taffe, strukturierte und erfolgsverwöhnte Priska mental entgleisen und letztlich im Wahnsinn landen sehen.

Petra Johann macht das gekonnt, aber es bleibt doch nicht ohne Längen und gerade zu Ende hin wirken die Versuche, das dem Leser doch längst offenbare Geheimnis weiter zu behüten, etwas verkrampft. Denn gerade die Konstruktion mit verschiedenen, aber aufeinander aufbauenden Erzählperspektiven, die den Thriller reizvoll machen, leidet letztlich darunter.

Buchdetails:
Petra Johann: Der Steg : Thriller. Rütten & Loening Berlin 2024, 399 Seiten, ISBN 978-3-352-01010-1, 18 € ; als ebook 13,99 € ; als Hörbuch 18 €
Bei yourbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen.

Fran Lebowitz, New York und der Rest der Welt

Diese Texte von Fran Lebowitz haben viel zu lange gebraucht, um hierzulande entdeckt zu werden. Wie lange hätten wir uns schon an ihrer Scharfzüngigkeit, ihrem klaren Stil und ihrem geistreichen Witz erfreuen können! Aber besser spät als nie.

Und immerhin lässt sich nun gleich die Probe aufs Exempel machen, ob ihre Texte den Zahn der Zeit unbeschadet überstehen. Zumindest für die in dieser Auswahl versammelten lässt sich sagen: Unzweifelhaft überstehen sie das.

Mit ihrer entschiedenen Ablehnung alles Unentschiedenem, das ja doch immer das Merkmal des Mittelmaßes ist, mag nicht jedes ihrer Urteile die Zustimmung des Lesers finden (meine zum Beispiel auch nicht). Aber jeder ihrer Sätze ist pointiert, silsicher und zeigt eine überragende sprachliche Eleganz. Der Hausheilige dieses Blogs hätte seine helle Freude an ihr gehabt.

Buchdetails:
Fran Lebowitz: New York und der Rest der Welt [OT: The Fran Lebowitz Reader] ; aus dem Englischen von von Sabine Hedinger und Willi Winkler, Rowohlt Berlin Berlin 2022, 349 Seiten, ISBN 978-3-7371-0143-1 ; 22 € ; als Taschenbuch 14 € ; als ebook 9,99 €
Bei yourbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen.

Simon Stephenson: Kurioses über euch Menschen

Simon Stephenson ist Drehbuchautor bei Simon Stephenson ist Drehbuchautor bei Pixar – und dieser Roman könnte problemlos ein Pixar-Film sein. Ein Roboter, der Gefühle entdeckt (indem er alte Filme schaut – Hollywood, was willst Du mehr???) und sich auf den Weg macht, die Menschheit davon zu überzeugen, dass Roboter fühlende Wesen sind und nicht nur Maschinen für niedere Arbeiten.

Das ist nicht leicht in einer Welt, in der Gefühle bei Robotern als Fehlfunktion betrachtet und diese daher entsprechend aussortiert werden. Mit seinem wunderbar naiven und dennoch gewitztem Protagonisten hat Stephenson einen Sympathieträger geschaffen, dem man gerne durch diese bittersüße Handlung folgt, die uns nach nicht weniger als dem Menschsein als solchem fragt.

Doch so tiefschürfend möchte ich den Roman gar nicht gelesen haben, das würde seinem feinen Humor nicht gerecht werden. Ich habe Jared jedenfalls sehr ins Herz geschlossen und habe ihn gerne auf seinen Abenteuern begleitet. Ich muss jedes Mal an ihn und diesen Pixar-Film von einem Roman denken, wenn ich auf Instagram Gretchen Withmer über „Michiganders“ reden höre. 😉

Thomas Radetzki, Matthias Eckoldt: Inspiration Biene

Ich bin Großstadtkind und zwar genau so wie das Klischee es will: Im Wesentlich beschränken sich meine Naturkenntnisse auf: Baum, Blume, Vogel, Tier. Genaueres wird schon schwieriger. Insofern bin ich durchaus mit großen Erwartungen an dieses Buch herangegangen, denn auch die großstädtische Vorstellung vom Bienenleben ist ja durchaus – nun ja, sagen wir romantisiert.

Und tatsächlich lässt sich hier etliches darüber erfahren, wie die Honigbiene lebt. Allerdings beschlich mich zunehmend Unbehagen und gerade im letzten Teil geradezu Widerwillen. Denn eigentlich ist dies kein Buch über die Honigbiene und wie sie von Menschen kultiviert wird, sondern darüber wie toll die Aurelia-Stiftung ist und wie sehr wir gesellschaftlich von ihr und ihren Aktivitäten profitieren können.

Das steht natürlich nicht so platt im Buch, aber es gibt hier nur eine einzige Perspektive, die die Autoren einnehmen. Und das vergällt die Lektüre dann doch sehr und das ist schade drum. Letztlich ist das ein Beispiel dafür, wie ein Sachbuch nicht sein sollte.

Buchdetails:
Thomas Radetzki, Matthias Eckoldt: Inspiration Biene. Klett MINT Stuttgart 2020. 163 Seiten, ISBN 978-3-942406-39-0 ; 32 € ; als Hörbuch 20 €
Bei yourbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung untertützen.

Andreas Suchanek: Interspace One

Für interstellare und erst recht für intergalaktische Reisen steht man vor verschiedenen erheblichen Problemen. Ein schwerwiegendes davon ist: Irgendwie müssen die irrsinnigen Distanzen überwunden werden. Die Science-Fiction-Literatur hat dafür schon verschiedene Lösungen vorgeschlagen, die entweder darauf zielen, durch phänomenale Reisegeschwindigkeiten die Reisezeit zu verkürzen (Warp-Antrieb, unendlicher Unwahrscheinlichkeitsdrive etc.) oder die Reisenden selbst für die lange Reisezeit zu präparieren (Generationenschiff, Kryonik etc.)

Eine Möglichkeit, die sogar interdimensional funktioniert, wenn wir Rick Sanchez glauben wollen, ist die Umwandlung der Identität in ein Datenpaket und die anschließende Implementierung in einen anderen (geklonten) Körper. Auf diese setzt Andreas Suchanek in seinem Sci-Fi-Thriller.

Commander Liam Mikaelsson erwacht in seinem Klonkörper, um mit seinem Team die geplante Erkundungsmission eines weit entfernten Planeten aufzunehmen. Bis dahin ist alles in Ordnung. Ab dann läuft überhaupt nichts mehr nach Plan. Von seinem Team erwacht nur noch seine Sicherheitsexpertin und die Technik verhält sich generell merkwürdig. Von einem ruhigen Planeten, der sich geordnet erforschen lässt, kann auch keine Rede sein. Und allmählich wird klar, dass es sich bei der ganzen Situtation nicht einfach um unglückliche Umstände handelt…

Ich habe dieses hochspannende Buch sehr gerne gelesen. Suchanek versteht es, einen Plot zu erzählen, der in den Bann zieht und die Spirale der Ereignisse immer weiter zu drehen. Ich mag den Marketing-Begriff vom Page-Turner nicht besonders – aber hier trifft er ohne Zweifel zu. Wer einen Thriller sucht, der sich schnell weglesen lässt, ist hier genau richtig.

Buchdetails:
Andreas Suchanek: Interspace One : Roman. Piper München 2022, 377 Seiten, ISBN 978-3-492-70634-6 ; 15 € ; als ebook 12,99 €
Bei yourbookshop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen.

Auf dem Nachttisch (1)

Schreiben über gelesene Bücher soll eigentlich integraler Bestandteil dieses Blogs sein. Aber wie das so ist im Leben – nicht immer entwickelt sich alles so wie geplant. Vor allem das Real Life funkt immer wieder gerne dazwischen. Und so gerne ich meine schon seit Jahren zurückliegende wöchentliche Buchempfehlungsrubrik weiterführen würde – es ist nicht realistisch, das wird auf absehbare Zeit nicht passieren.

Nun lese ich also weiterhin Dies und Das, denke mir nach jeder beendeten Lektüre: Dazu schreibst Du was. Dann fange ich einen Beitrag an, lege ihn zur Seite und da bleibt er dann liegen – hilflos mit seinen Beinchen strampelnd, mich immer wieder ermahnend, ihn nun endlich aufzuheben. So vergehen Wochen, Monate, Jahre – und es wird doch kein veröffentlichter Text daraus. Inzwischen sind die Bücher womöglich vergriffen, kurz: Das ist unbefriedigend.

Also versuche ich es nun einmal mit kurzen Sammelrezensionen – die zwar dem einzelnen Werk nicht die Aufmerksamkeit geben, die ich ihm idealerweise geben wollte. Doch dazu sei an dieser Stelle mein früherer Chef zitiert: Better done than perfect.

Also dann, auf geht es mit der ersten Runde Bücher, die ich kürzlich vom Nachttisch geräumt habe:

Sarah Kuttner: Kurt

Drei Erwachsene, ein Kind. Die Zahl von Büchern und Filmen zu den verschiedensten Konstellationen, die sich aus einer solchen Aufzählung ergeben können, ist Legion. Warum also noch eins? Weil das Thema nie zu Ende ist. Jede Zeit, jede Konstellation ist individuell und hat ihre ganz eigene Geschichte, Sarah Kuttners Geschichte beginnt zunächst ganz vertraut: Ein Paar hat ein gemeinsames Kind, trennt sich, ein Partner findet eine neue Partnerin und zieht mit dieser in ein eigenes Haus. Jana und Kurt schaffen es, diese schwierige Situation vernünftig zu lösen und Lena lernt nach dem großen nun auch den kleinen Kurt kennen. Mit ihr erleben wir ein waches, neugieriges Kind voller Liebe für die Welt und die Menschen, die ihn umgeben.
Der tiefe Schmerz, den die Erwachsenen erleben, als das Kind plötzlich stirbt, hat auch mich beim Lesen getroffen. Ich habe den kleinen Kerl sehr ins Herz geschlossen. Sarah Kuttner findet in ihrer schnörkellosen, empathischen Sprache einen Ausdruck für die Trauer und die ganz verschiedenen Wege, die Trauernde gehen. Darin liegt für mich die Stärke und Bedeutung dieses Buchs: Worte und Ausdruck zu finden für eine Trauer, die tiefer kaum sein könnte. Worte dort zu finden, wo keine Worte mehr sind.

Ein herzzerreißendes Buch über einen Schmerz, der nicht zu begreifen ist. Ich habe jedenfalls viele Tränen vergossen und ich weiß nicht, ob ich das Buch ein zweites Mal aushalten würde.

Murakami Haruki: Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

Gut vierzig Jahre liegt diese Geschichte schon bei Murakami auf dem Nachttisch. Grundlage des Romans ist eine Erzählung aus den 80er Jahren, mit der der Autor nie so recht zufrieden war. Immer wieder wollte er sie weiter ausarbeiten. Nun also ist dieser Roman daraus entstanden. Vor solchen Entstehungsgeschichten warnen Lektor:innen regelmäßig, und das aus guten Gründen. So eine Geschichte bleibt nicht ohne Anlass so lange liegen. Meist stimmt mit ihnen etwas nicht, sei es, dass ihr Thema nicht so recht passt oder ein grundlegender konstruktiver Fehler es immanent nicht zu einem gutem Abschluss kommt. Das ist auch hier spürbar, der Roman sei niemandem ohne Murakami-Erfahrung empfohlen.

Und dennoch zeigt sich Murakami in diesem dichten Roman von seiner Stärke als Romancier. In der metapherngesättigten Geschichte um eine verlorene und unerreichbare Liebe führt er dem Leser vor Augen, dass Realitätsflucht zwar ungemein beruhigend und sicherheitsversprechend ist – aber eben nicht echt. Und vor allem: Das Leben extrem einschränkend, da jede Berührung mit dem Leben außerhalb der selbst geschaffenen Mauern den Kokon und seine schutzspendende Wärme bedroht. Und auch wenn ich den Roman gerne gelesen habe: Wahrscheinlich wäre es besser, er wäre eine Erzählung geblieben.

Laura Wood: Agency for Scandal

Izzy Stanhope, eine junge Frau mit Beziehungen in der britischen Upper Class, hat viele Geheimnisse. Und jedes einzelne davon könnte ihre prekäre Stellung ruinieren. Dementsprechend unauffällig bewegt und kleidet sie sich.
Der Roman ist im Viktorianischen England angesiedelt und kreist um ein Team von Frauen, die selbstorganisiert andere Frauen unterstützen. Das ist entsprechend herausfordernd, denn offen agieren können sie naturgemäß nicht. Scheu hat das Team dabei weder vor hohen Ämtern, großem Reichtum oder Berufsverbrechern. Alle Mittel und Wege sind ihnen recht, wenn sie geeignet sind, die Sache der Klientinnen zu befördern. Dabei nutzen sie geschickt ihre jeweilige gesellschaftliche Stellung aus, legen sich Tarn-Identitäten, entwickeln Spezialfähigkeiten – eben alles, was man von einem professionellen Team erwarten darf.

Ob und wie hier Anachronismen reinspielen, kann ich nicht beurteilen, dafür kenne ich die Viktorianische Gesellschaft viel zu wenig – ich bin mir aber auch nicht sicher, ob das überhaupt relevant ist. Die turbulente Handlung findet ihre Ankerpunkte in den Figuren, die ein hohes Identifikationspotential bieten. Dass hier die Protagonistinnen sich in einer männerdominierten Welt ihren Handlungsraum nehmen und nutzen ist vielleicht der stärkste Aspekt dieses Jugendbuches.

Anna Winberg Sääf / Katarina Ekstedt: Das Syd

Mich hat dieser Thriller leider überhaupt nicht überzeugt, gerade vor dem Hintergrund des ersten Teils. Dieser war solides Handwerk, mich hatten ein paar Dinge gestört, aber insgesamt war das okay und ich war durchaus gespannt, wie die Geschichte weitergehen würde.
Schon in Das Nord war die übermächtige Alice und die Hilflosigkeit aller anderen etwas dick aufgetragen. Hier aber rutschen die Figuren endgültig in die Unglaubwürdigkeit ab. Das beginnt schon beim Restaurantnamen, der gekünstelt auf den ersten Roman Bezug nimmt. Alex und Sofi würden nach all den traumatischen Erlebnissen im Nord ihr Restaurant ernsthaft Syd nennen? Insbesondere, wenn sie versuchen, sich vor Alice Duwal zu verstecken? Da war das Verlagsmarketing wohl stärker als die Figurenentwicklung.
Und dass nun wirklich jeder Schritt, den Alex macht, sich mal wieder als beobachtet und gesteuert herausstellt, was ausgerechnet ihm aber nie bewusst wird, obwohl er ständig Angst davor hat, beobachtet und gesteuert zu werden. Und wieder einmal ist es dieselbe übermächtige Alice, die hier schon James-Bond-Bösewicht-Dimensionen erreicht und wieder einmal wird es eine vergleichsweise simple Falle, mit der sie überwältigt wird. Ich weiß nicht, mich hat das wirklich nicht überzeugt. Ich hatte hier auf eine neue Geschichte gehofft, tatsächlich aber ist es weitgehend dieselbe.
Gleichzeitig ist aber ganz klar spürbar, dass die Autorinnen ihr Handwerk eigentlich verstehen – und das hat vielleicht meinen Ärger verstärkt. Wenn das Buch einfach schlecht geschrieben wäre, hätte ich es zur Seite legen und abtun können.

Buchdetails:
Sarah Kuttner: Kurt : Roman. S. Fischer Frankfurt am Main 2019, 239 Seiten, ISBN 978-3-10-397424-9, 20 € ; als Taschenbuch 12 € ; als ebook 9,99 €
Bei yourbook.shop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen.

Murakami Haruki: Die Stadt und ihre ungewisse Mauer : Roman. Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe, Dumont Buchverlag Köln 2024, 637 Seiten, ISBN 978-3-8321-6839-1, 35 € ; als ebook 27,99 € ; als Hörbuch 34 €
Bei yourbook.shop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen.

Laura Wood: Agency for Scandal : Roman. Aus dem Englischen von Petra Koob-Pawls, Fischer Sauerländer Frankfurt am Main 2024, 432 Seiten, ISBN 978-3-7373-4389-3, 15,90 € ; als ebook 12,99 €
Bei yourbook.shop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen.

Anna Winberg Sääf / Katarina Ekstedt: Das Syd : Thriller. Aus dem Schwedischen von Max Stadler, HarperCollins Hamburg 2024, 270 Seiten, ISBN 978-3-365-00578-1, 14 € ; als ebook 9,99 €
Bei yourbook.shop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen.

Klaus Leesch: Eduard Bernstein (1850-1932)

Klaus Leesch hat sich in seiner Werkbiographie des frühen Sozialdemokraten Eduard Bernstein einer Mammutaufgabe gestellt.

Bernstein ist sowohl während seiner Lebzeiten als auch in der späteren Rezeption stets voreingenommen bewertet worden. In seinem Wirken während der Flügelkämpfe in der Sozialdemokratie, insbesondere in der Kaiserzeit, mag das noch in der Natur der Sache liegen.

Als bedeutender Publizist in der sozialdemokratischen Presse, der noch dazu immer wieder klar Stellung bezog, konnte er kaum mit einem ausgewogenen Urteil rechnen. In der Rezeption der Nachkriegszeit wiederum diente er beidseits der Mauer vorrangig als Projektionsfläche nebst der dazugehörigen Rosinenpickerei.

Das führte nicht nur zu einseitigen Urteilen, sondern auch zu erheblichen Forschungsdesideraten, denn wirklich intensiv und sachlich beschäftigten sich kaum Forscher mit ihm. So kommt es denn auch zustande, dass von einem der wichtigsten Vertreter der frühen Sozialdemokratie bis heute keine vollständige Werkausgabe vorliegt.

Vor diesem Hintergrund ist Klaus Leeschs umfassende Arbeit nicht nur zu begrüßen, sie ist willkommen zu heißen.

Leeschs Arbeit umfasst in der gedruckten Ausgabe zwei Bände mit insgesamt über 1700 Seiten und war seine Dissertation an der Fern-Universität Hagen. Leesch hat sich lange und intensiv mit Bernstein beschäftigt. Das ist von der ersten Seite an zu spüren – ebenso wie die Sympathie des Autors der Person Bernsteins gegenüber. Dass ihm trotzdem die sachliche Distanz nicht abhanden kommt, ist ein unbedingter Pluspunkt. Und unbedingt notwendig, voreingenommene Bernstein-Literatur gibt es ja – wie eingangs erwähnt – bereits zur Genüge.

Dennoch wäre hier ein etwas rigoroseres Lektorat gewinnbringend gewesen. Ich hatte beim Lesen sehr bald den Eindruck, Klaus Leesch wolle nun gleich alle bestehenden Lücken mit einem Mal schließen. Insbesondere seine langen und umfangreichen wörtlichen Zitate aus Bernsteins Werk machen die Lektüre schnell mühsam. Natürlich ist die Belegarbeit schwierig, wenn keine in Umfang und Güte zufriedenstellende Werkausgabe zur Verfügung steht. Eine bessere Lösung wäre hier aber wahrscheinlich dennoch die Auslagerung in einen Quellenband bzw. in den Anhang gewesen. So aber entstehen Redundanzen und Längen, die es schwer machen, die Biographiearbeit des Autors wahrzunehmen. Das ist sehr schade, denn so entsteht der Eindruck, dass vor lauter Ansprüchen, denen diese umfangreiche Arbeit gerecht werden will, sie letztlich keinem wirklich gut entspricht.

Dennoch: Dieses Mammutwerk wird seinen unübersehbaren Platz in jeglicher Arbeit zu Bernstein und der frühen deutschen Sozialdemokratie finden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand zu diesem Themenkomplex arbeiten kann, ohne künftig Leeschs Werkbiographie zur Kenntnis zu nehmen. Aus diesem Bergwerk werden noch so manche Schätze geholt werden.

Und dem interessierten Publikum wünsche ich, dass Klaus Leesch noch einmal nachlegt – mit einer schlankeren Biographie unter dem Motto: Mehr Leesch wagen.

Details zum Buch:
Klaus Leesch: Eduard Bernstein (1850-1932). Campus Verlag Frankfurt/Main 2024, 2 Bde., 1788 Seiten, 189 € ; als ebook (epub oder PDF) 179,99 €
Bei yourbook.shop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen.

Anna Winberg Sääf / Katarina Ekstedt: Das Nord

Bei Alex läuft es grad gar nicht – er ist abgebrannt, obdachlos und ohne Job. Da bekommt er die Chance, in Nordschweden bei einem berühmten Sterne-Koch in einem Edelrestaurant anzufangen. Mit den allerletzten Ressourcen gelingt es ihm, die Reise zu bewerkstelligen und rechtzeitig einzutreffen. Die Arbeit ist hart, Freizeit ist rar und die Arbeitsatmosphäre geprägt von Missgunst und Intrigen.

Nicht wirklich besser wird es, als er eine Affäre mit Alice Duvall, der Ehefrau des Besitzers anfängt. Schnell ist Alex ist einem verhängnisvollen Abhängigkeitsverhältnis, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint – insbesondere da Alice sehr eigene Interessen verfolgt, bei deren Durchsetzung er bestenfalls als Werkzeug eine Rolle spielt.

Katarina Ekstedt und Anna Winberg Sääf gelingt ein spannender Thriller, der alle Zutaten bereithält, die es braucht. Allerdings auch nicht mehr. Beworben wird es mit Schwedische Thriller-Spannung vom Feinsten und Intrigen und Psychoterror in der Schwedischen Sterneküche. Davon habe ich wenig gelesen. Die ersten Berfreiungsversuche scheitern zu offensichtlich und für das David-Goliath-Spiel, dass hier aufgebaut wird, ist mir die letztliche Lösung sogar etwas zu platt. Darin besteht meiner Meinung nach ja die besondere Kunst: Übermächtige Bösewichte, die alles beherrschen und von allem wissen, sind leicht erschaffen. Aber eine plausible Handlung, wie diese dennoch überwunden werden können – das ist eine echte Herausforderung. Und die finde ich hier nicht restlos überzeugend gemeistert.

Das ist solides Handwerk, die Handlung spitzt sich gekonnt zu. Aber kaum weg gelegt, hatte ich Figuren, Handlung und kulinarische Finessen eigentlich auch schon wieder vergessen. Also gute Unterhaltung – und das ist gar nicht abwertend gemeint: Ich bin hier gerne dabei geblieben.

Details zum Buch
Anna Winberg Sääf/Katarina Ekstädt: Das Nord. Thriller. aus dem Schwedischen von Max Stadler. Deutsche Erstausgabe bei HarperCollins Taschenbuch, Hamburg 2023, 288 Seiten, 14 € ; als ebook (ePUB) 10,99 €
Bei youbook.shop bestellen und Lieblingsbuchhandlung unterstützen.