Es ist Wochenende, Samstag vormittag. Ein guter Zeitpunkt, um das eine oder andere zu erledigen. Einkaufen, Essen kochen, Korrespondenz und was sonst so rumliegt.
Ich weiß nicht, wie die geneigte Leserschaft das erlebt, aber bei mir stellt sich am Samstagvormittag stets das Gefühl ein, jetzt aber mal so richtig was erledigen zu können. Vielleicht nicht gleich die Weltrevolution, aber so knapp darunter. Es gibt da noch diesen Antrieb aus der Arbeitswoche gepaart mit dem Ausblick auf ein schier endloses Wochenende: Was man da alles schaffen kann!
Meist verflüchtigt sich das spätestens nach dem Mittagessen, wenn man feststellt, dass es sich doch sehr behaglich auf der Couch sitzt und überhaupt, es ist ja Wochenende und noch so viel Zeit und überhaupt…
Jedenfalls Samstagvormittag. Ich bitte also die Traumtochter™ in unserem liebgewordenen Ritual, ihr Zimmer in einen betretbaren Raum zurückzuverwandeln. Das wird, der Zeremonie gemäß, mit einem Schnauben und dem schwungvollen Schließen der Tür ihres zugewiesenen Arbeitsraumes beantwortet.
Kurz darauf tönen Geräusche aus ihrem Zimmer. Allerdings die ihres Musikinstruments.
Das finde ich sehr geschickt. Schließlich muss sie ja üben. Sagt ja auch sie Lehrerin, sagen ja auch wir Eltern 》ständig《.
Intervenieren ist da also schwierig. Sie macht also explizit nicht das, worum sie zum 3578. Mal gebeten wurde und verhindert gleichzeitig sehr effektiv, dafür unangenehme Konsequenzen on Kauf zu nehmen (wovon übrigens die unangenehmste ist, dass ihre Eltern das Aufräumen übernehmen). Well played (was nebenbei auch für ihr Übungsstück gilt und angesichts der anstehenden Weihnachtssaison werde ich vielleicht öfter als sonst um ein aufgeräumtes Zimmer bitten – als 1. Instrument hat man in einer Instrumentalgruppe ja eine gewisse Verantwortung). Deviantes Verhalten durch Ausweichen auf eine sanktionsfreie Alternative. Prokrastination wird wohl ihr Hauptfach.
Das unterscheidet sich doch von der offensiven Opposition des Suppenkaspars, der seine Verweigerung mit offenem Protest verbindet.
Weit davon entfernt, ähnlich selbstzerstörerisch (vom interpretierten Krankheitsbild mal ganz abgesehen) zu sein, gibt es aber doch noch eine Parallele: Für mich am bemerkenswertesten an dieser Opposition ist nämlich der Hintergrund: Sie hat sehr nachdrücklich um die Neuanschaffung eines Möbels gebeten und bitter darübr geklagt, dass wir Wochen vergehen ließen ohne unsere Zusage einzulösen (man kennt das: Es fallen Worte wie 》euch《, 》egal《, 》interessiert《, 》nicht《, 》mich《). Inzwischen steht dieses Möbel jedoch seit mindestens eben so vielen Wochen bereit. Allein: Ihr Zimmer ist es eben nicht. Meine Aufforderung wurde denn auch jedes Mal mit dem Hinweis darauf verbunden. Mit dem an sich ja durchaus erfreulichen Ergebnis, dass ihre Instrumentbeherrschung weiter Fortschritte macht. Aber eben auch ohne die Erfüllung ihres eigenen Wunsches.
Da stehe ich also nun. Zunächst böse, weil ich ihren Wunsch nicht erfüllte, nun böse, weil ich ihn erfüllen will.
Da stellt sich doch die Frage: Haben Eltern eigentlich eine Chance?
Ich glaube nicht, ich denke, es geht ihnen zumindest in einer bestimmten Phase wie Brian: Wir haben keine Chance, da rauszukommen. Mit allem, was wir wollen, sind wir eine Zumutung. Egal, aus welchen Motiven heraus: Wir wollen etwas, wir greifen in die heilige Autonomie eines Teenagers ein. Das gilt es zu akzeptieren und zu hoffen, dass sie dereinst, wenn sie gelernt haben, dass die ganze Welt eine Zumutung ist, sich erinnern, dass Eltern vor allem etwas anderes sein können: Ein Hafen. Es ist wahnsinnig schwer, dieses Gefühl irgendwo mitvermitteln zu können in all den täglichen Auseinandersetzung. Und doch möchte ich, dass genau das irgendwo hängen bleibt.
Aber jetzt, kurz bevor ich mich an den Nudelauflauf mache, nehme ich nochmal alle vormittägliche Energie zusammmen und erkläre der Traumtochter™ ganz ruhig und freundlich, warum es doch in unser aller und vor allem in ihrem höchst eigenen Interesse liegt und es daher doch sehr wünschenswert wäre, würde sie ihre verdammte Drecksbude endlich aufräumen ihr Zimmer doch so weit bereinigen, dass ihr gewünschtes Möbel nicht länger den Flur blockiert.