Auch in dieser Woche möchte ich die geneigte Leserschaft an ein paar Entdeckungen teilhaben, die mir aus verschiedensten Gründen bemerkenswert erschienen:
Hilary Mantel hat ja das Kunststück vollbracht, den Booker Preis zwei Mal in Folge zu gewinnen. Was darauf hindeutet, dass ihre historischen Romane sich über die üblichen Erwartungen an das Genre erheben. Kann ich aber nichts zu sagen, meinen letzten historischen Roman las ich vor 14 Jahren, als ich mich dabei ertappte, auch die schlechtesten Jacq-Romane noch lesen zu wollen (es hat ja alles seine Grenzen, aber immerhin konnte ich mir so den einen oder anderen ägyptischen Götternamen ebenso merken wie die eine oder andere Begebenheit der ägyptischen Geschichte, was sich immerhin bei Quizduell und dem Auffinden von Referenzen in den Filmen der Mumien-Reihe als nützlich erwies).
Die Crux an derart preisgekrönten Autor_innen ist ja, dass das mutlose Feuilleton sich dann zu keiner ehrlichen Einschätzung mehr durchringen kann. Ob ihr neuer Roman also wirklich so toll ist, wie alle behaupten, kann ich nicht sagen. Wahrhscheinlich ist aber, dass es zumindest kein Fehler ist, ein Buch mit dem Titel Die Ermordung Margaret Thatchers
zu lesen. Erst recht nicht, wenn es sich tatsächlich um Erzählungen britischer Tradition handelt, wie uns der Verlag verspricht.
Im Feld der orientierungslosen Manager gibt es einen riesigen Batzen Geld zu verdienen. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie man tausende Euro Seminargebühren pro Teilnehmer einnehmen kann, um ihnen ein paar eifnache Phrasen schön verpackt zu verkaufen. Viele Berater- und Coachingseminare erinnern mich doch sehr an den frühneuzeitlichen Marktplatz, auf dem Wundermittel verkauft wurden, deren Wirksamkeit nie bewiesen werden musste, weil bis zum nächsten Besuch in der Stadt die Betroffenen schon lange nicht mehr lebten. Und wo sich konkurrierende Scharlatane gegenseitig vorwarfen, Scharlatane zu sein.
Aberich sollte mcih nicht so sehr darüber erheben, schließlich lebt auch ein nicht eben kleines Segment des Buchmarktes davon, die immer gleichen Ratschläge in neuen bunten Umschlägen zu verkaufen. Sehr hübsch fand ich in diesem Zusammenhang dieses neue Buch:
Boris Gloger, Dieter Rösner: Selbstorganisation braucht Führung. Die beiden Autoren erklären darin, dass Führungsaufgaben Führungsaufgaben bleiben, auch wenn man Teams selbstorganisiert arbeiten lässt. Es scheint Manager zu geben, die glauben, Selbstorganisation bedeute, man könne ein Team sich selbst überlassen (und dann selbst Segeln gehen oder so, keine Ahnung). Allerdings war dies gar nicht der Punkt, warum mir das Buch auffiel, denn, wie gesagt, damit lassen sich Regalmeter füllen. Nein, bemerkenswert fand ich die Beschreibung:
»Mit selbstorganisierten Teams wird alles besser!«, schallen die Kampfrufe der Legion gewordenen Scrum-Berater. Blindlings läuft ihnen eine Schar von Managern nach
Geschrieben ist das Buch von zwei Scrum-Beratern…
Außerdem habe ich eine Schwäche für auffällige Buchtitel. Da bieten die Geisteswissenschaften und ganz besonders die dortigen Qualifizierungsschriften für gewöhnlich ein reiches Feld an Entdeckungen (einer meiner Lieblinge sind da übrigens weiterhin die Vierbeinerdarstellungen auf schwedischen Runensteinen). Der mir jüngst aufgefallene Buchtitel entstammt der Technikgeschichte:
Thomas Büchi: Die Fortifikationsliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts
Der Untertitel verdeutlicht dann gleich noch die Untersuchungsmethode: Traktate deutscher Sprache in europäischen Kontext. Das ist ja dann schon fast vergleichende Literaturwissenschaft. Allerdings ist ja im Zeitalter des cultural turn sowieso alles irgendwie Kulturwissenschaft. Das Buch selbst klingt jedenfalls durchaus spannend. Müsste man mal schauen, wie sehr der Autor dem deutschen Wissenschaftsduktus verpflichtet ist.
Zum Abschluss des dieswöchigen Reigens sei noch auf ein Prachtexemplar von Buch verwiesen:
Tausend und Ein Tag. Morgenländische Erzählungen
Bücher aus der »Anderen Bibliothek« (die man übrigens weiterhin abonnieren kann) sind ja immer ein Traum. Mindestens in der Ausstattung. Und dieses hier ist ein besonders schöner Band. Dass die Kollegen das drauf haben, wissen wir spätestens seit Humboldts »Kosmos« oder der immer noch auf meiner Erwerbungsliste stehenden Forsterschen »Reise um die Welt«. Hier verbindet sich nun die morgenländische Ornamentik mit liebevoller Buchgestaltung zu einem ganz besonders gelungenen Band. Eine Schwäche für orientalische Fabulierfreude wird man wohl trotzdem haben müssen, um sich dieses zwar preiswerte aber nicht eben niedrigpreisige Schmuckstück zuzulegen (also ich habe es mal meiner Erwerbungsliste zugefügt, aber da steht der Forster ja auch schon sieben Jahre lang drauf…)