Das Buch zum Sonntag (36)

Für die morgen beginnende Woche empfehle ich der geneigten Leserschaft zur Lektüre:

Patrick Süskind: Das Parfum

Über dieses Buch ist bereits einiges geschrieben worden, die regelmäßigen Anfragen der für Schullektüre relevanten Zielgruppe lassen eine weitgehende Aufnahme in den entsprechenden Kanon vermuten und Herrn Eichingers Verfilmung wird den Bekanntheitsgrad wohl auch nicht geschmälert haben (ich habe den Film nicht gesehen, kann also zu dessen Qualität nichts sagen – bisherige Eichinger-Produktionen bestärken mich aber in meinem Entschluß, bei diesem Roman lieber meine eigenen Bilder im Kopf zu behalten).

Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich ein Mann, der zu den genialsten und abscheulichten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte.

(S. 5)

Süskinds Roman gehört zu den ganz wenigen Büchern meiner Lesebiographie, die mich tatsächlich erschüttert haben. Ich habe selten einen derart kalten Roman gelesen – großartig in seiner Kälte, aber eben wahrlich nichts fürs Herz. Und für die Lektüre am Kamin nur geeignet, weil man es dann wenigstens warm hat, wenn man innerlich friert.
Grenouille ist eine literarische Figur, die sich hinter keinem Finsterling der an Finsterlingen nicht armen zeitgenössischen Literatur verstecken muß. Von Anfang an ein Ausgestoßener, Abgelehnter, findet er seine Berufung bei einem Parfumeur. Als olfaktorisches Genie gelingt es ihm mühelos, vorhandene Düfte zu imitieren, neue zu kreieren. Gleichzeitig, und damit erfahren wir auch den Grund für die unbestimmte Furcht, die Angst, die Ablehnung, die ihm seit seiner Geburt entgegenströmt, hat er selbst keinerlei Eigengeruch. Man kann ihn nicht riechen. Besessen von der Idee, das perfekte Parfum zu erschaffen, eines, das Liebe und Zuneigung ausströmt, und überzeugt davon, daß dies nur geschehen kann, in dem er den Duft wohlriechender junger Frauen destilliert, wird er in der Parfumstadt Grasse zum Massenmörder.
Grenouille ist ein Getriebener, ein Gehetzter seiner selbst. Er flieht zwischenzeitlich sogar die menschlische gesellschaft und ihre überbordenden Gerüche und versucht, so weit von ohnen zu fliehen, bis kein Geruch mehr ihn erreicht. Sieben Jahre verlebt er so in einer Höhle im Zentralmassiv – und es handelt sich bei der Beschreibung seines Lebens dort, insbesondere seines Innenlebens um einen der stärksten literarischen Texte, die mir bisher begegnet sind. Ich scheue mich, dies zu zitieren, aus Sorge, welchen Ausschnitt auch immer ich nehme, die Wirkung dieser Kapitel zu zerstören. Weiterlesen “Das Buch zum Sonntag (36)”