Mimosen und Macht

Die SPD hat wieder mal einen Austritt zu verzeichnen. Soweit, so normal.
Yasmina Banaszczuk, 28 jahre alt, tritt nach drei Jahren aus der SPD aus, weil sie sich unverstanden und ausgebrannt fühlt. Weil ihr Vorsitzender nicht auf sie hört und weil ihre differenzierten und feinen Vorschläge keine Wirkung haben und nicht beachtet wurden. Zumindest habe ich das jetzt so verstanden, aber da kann sich die geneigte Leserschaft ja auch einen eigenen Eindruck verschaffen (bemerkenswerter Weise übrigens bekam die Sache erst dann richtig Fahrt, als stern.de darüber berichtete – Irrelevanz klassischer Medienhäuser sieht auch anders aus, aber das ist ein anderes Thema).
Dazu zwei Fragen: Sie gibt nach drei Jahren auf, weil sie als Hamburger JuSo vom Parteivorsitzenden nicht ernst genommen wird? Ernsthaft? Dann war die Idee, in eine Partei einzutreten möglicherweise nicht die richtige Idee. Oder zumindest ihre Vorstellungen äußerst naiv.
Diesen Aspekt behandelt allerdings Julia Seeliger in ihrer bekannt erfrischenden, direkten Art ganz ausgezeichnet. Eine Kostprobe:

Parteipolitisches Engagement ist strukturell krank! Kann man sagen. Der ganze Rest, Kapitalismus, Krieg und Patriarchat und Freie Kameradschaften und Missbrauch und Sportvereine und Familien und Ödipus und Goethe und Kleingärtenvereine und Nachbarn, die sich bei der Hausverwaltung beschweren, diese ganzen Übel – die sind aber auch nicht gesund.

Julia Seeliger (Wikipedia) spricht aus ihrer Perspektive, aus zehn Jahren Parteieerfahrung bei den Grünen und sie hat wenig freundliche Worte übrig:

Da hat der Siggi einfach mal den Finger in die Wunde gelegt und die SPD-Mädchen lassen sich davon wütend machen. Noch ein paar Begriffe: Selbstüberschätzung, Egozentrismus, mangelnde Kritikfähigkeit, Netzgemeinden-Gehype, Irrelevanz. Traurige Wahrheit: der Sommer der Netzsperren ist schon drei, vier Jahre vorbei und es ist nicht gelungen, die Energie ins Jetzt zu überführen, auch weil die Netzbewegung strukturell kaputt ist. Vielleicht wurden aber auch Fehler gemacht. Vielleicht wurden Fehler gemacht, die strukturell sind. Zum Beispiel, dass im Internet besonders viele Arschlöcher mitreden bzw. mit sich selbst reden. Könnte ja sein?

um anzuschließen mit:

Fragezeichenmödchen meldet sich zu Wort zu einem weiteren Bereich: dem parteipolitischen Angajemang. Internetmödchen, du willst, dass sich dir alle Türen öffnen? Nach nicht mal zwei Jahren?

KullerZeit! ROFL! ROFL! ROFL!

(großartig!)
Aber ehe ich weiter schreibe, sei der geneigten Leserschaft die Lektüre des ganzen Textes empfohlen.

[Raum für Lektüre]

Wieder da?
Gut, dann hier meine zweite Frage: Ich denke, dass Frau Seeliger vollkommen recht hat – und ist das nicht vielleicht doch ein Problem? Sollte Politik nicht vielleicht doch anders gehen? So, dass engagierte, eifrige und empfindliche Menschen dort etwas zu sagen haben und nicht einfach verschreckt werden? So, dass geistige Gesundheit kein Ausschlusskriterium ist? Und wenn ja, wie soll das gehen?

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