Keine lange Vorrede heute, es geht ohne Umschweife einfach los mit der zweiten Ausgabe der Kurzrezensionen.
Petra Johann: Der Steg
Es gibt das Bonmot, ein Mord sei überhaupt nicht schwer – schwierig sei, die Leiche loszuwerden. Auch für Priska beginnen die Schwierigkeiten mit einem Toten, der zur Unzeit in der Nähe ihres Grundstücks ins Wasser fällt. Was genau geschah und welche Ereignisse zu dieser Situation geführt haben, wird erst im Laufe der Handlung klar. Eine Handlung, im Laufe derer Priska nicht nur darum kämpft, dass ihr der Tod nicht zugerechnet wird, sondern vor allem um das Leben, das sie sich aufgebaut hat.
Wie lange wird es Priska gelingen, ihr zerstörerisches Geheimnis zu wahren? Und welchen Preis wird sie dafür zahlen müssen, welche Schritte muss sie noch gehen, um die Fassade zu wahren? Das sind die Leitfragen dieses Thrillers, im Laufe dessen wir die taffe, strukturierte und erfolgsverwöhnte Priska mental entgleisen und letztlich im Wahnsinn landen sehen.
Petra Johann macht das gekonnt, aber es bleibt doch nicht ohne Längen und gerade zu Ende hin wirken die Versuche, das dem Leser doch längst offenbare Geheimnis weiter zu behüten, etwas verkrampft. Denn gerade die Konstruktion mit verschiedenen, aber aufeinander aufbauenden Erzählperspektiven, die den Thriller reizvoll machen, leidet letztlich darunter.
Buchdetails:
Petra Johann: Der Steg : Thriller. Rütten & Loening Berlin 2024, 399 Seiten, ISBN 978-3-352-01010-1, 18 € ; als ebook 13,99 € ; als Hörbuch 18 €
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Fran Lebowitz, New York und der Rest der Welt
Diese Texte von Fran Lebowitz haben viel zu lange gebraucht, um hierzulande entdeckt zu werden. Wie lange hätten wir uns schon an ihrer Scharfzüngigkeit, ihrem klaren Stil und ihrem geistreichen Witz erfreuen können! Aber besser spät als nie.
Und immerhin lässt sich nun gleich die Probe aufs Exempel machen, ob ihre Texte den Zahn der Zeit unbeschadet überstehen. Zumindest für die in dieser Auswahl versammelten lässt sich sagen: Unzweifelhaft überstehen sie das.
Mit ihrer entschiedenen Ablehnung alles Unentschiedenem, das ja doch immer das Merkmal des Mittelmaßes ist, mag nicht jedes ihrer Urteile die Zustimmung des Lesers finden (meine zum Beispiel auch nicht). Aber jeder ihrer Sätze ist pointiert, silsicher und zeigt eine überragende sprachliche Eleganz. Der Hausheilige dieses Blogs hätte seine helle Freude an ihr gehabt.
Buchdetails:
Fran Lebowitz: New York und der Rest der Welt [OT: The Fran Lebowitz Reader] ; aus dem Englischen von von Sabine Hedinger und Willi Winkler, Rowohlt Berlin Berlin 2022, 349 Seiten, ISBN 978-3-7371-0143-1 ; 22 € ; als Taschenbuch 14 € ; als ebook 9,99 €
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Simon Stephenson: Kurioses über euch Menschen
Simon Stephenson ist Drehbuchautor bei Simon Stephenson ist Drehbuchautor bei Pixar – und dieser Roman könnte problemlos ein Pixar-Film sein. Ein Roboter, der Gefühle entdeckt (indem er alte Filme schaut – Hollywood, was willst Du mehr???) und sich auf den Weg macht, die Menschheit davon zu überzeugen, dass Roboter fühlende Wesen sind und nicht nur Maschinen für niedere Arbeiten.
Das ist nicht leicht in einer Welt, in der Gefühle bei Robotern als Fehlfunktion betrachtet und diese daher entsprechend aussortiert werden. Mit seinem wunderbar naiven und dennoch gewitztem Protagonisten hat Stephenson einen Sympathieträger geschaffen, dem man gerne durch diese bittersüße Handlung folgt, die uns nach nicht weniger als dem Menschsein als solchem fragt.
Doch so tiefschürfend möchte ich den Roman gar nicht gelesen haben, das würde seinem feinen Humor nicht gerecht werden. Ich habe Jared jedenfalls sehr ins Herz geschlossen und habe ihn gerne auf seinen Abenteuern begleitet. Ich muss jedes Mal an ihn und diesen Pixar-Film von einem Roman denken, wenn ich auf Instagram Gretchen Withmer über „Michiganders“ reden höre. 😉
Thomas Radetzki, Matthias Eckoldt: Inspiration Biene
Ich bin Großstadtkind und zwar genau so wie das Klischee es will: Im Wesentlich beschränken sich meine Naturkenntnisse auf: Baum, Blume, Vogel, Tier. Genaueres wird schon schwieriger. Insofern bin ich durchaus mit großen Erwartungen an dieses Buch herangegangen, denn auch die großstädtische Vorstellung vom Bienenleben ist ja durchaus – nun ja, sagen wir romantisiert.
Und tatsächlich lässt sich hier etliches darüber erfahren, wie die Honigbiene lebt. Allerdings beschlich mich zunehmend Unbehagen und gerade im letzten Teil geradezu Widerwillen. Denn eigentlich ist dies kein Buch über die Honigbiene und wie sie von Menschen kultiviert wird, sondern darüber wie toll die Aurelia-Stiftung ist und wie sehr wir gesellschaftlich von ihr und ihren Aktivitäten profitieren können.
Das steht natürlich nicht so platt im Buch, aber es gibt hier nur eine einzige Perspektive, die die Autoren einnehmen. Und das vergällt die Lektüre dann doch sehr und das ist schade drum. Letztlich ist das ein Beispiel dafür, wie ein Sachbuch nicht sein sollte.
Buchdetails:
Thomas Radetzki, Matthias Eckoldt: Inspiration Biene. Klett MINT Stuttgart 2020. 163 Seiten, ISBN 978-3-942406-39-0 ; 32 € ; als Hörbuch 20 €
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Andreas Suchanek: Interspace One
Für interstellare und erst recht für intergalaktische Reisen steht man vor verschiedenen erheblichen Problemen. Ein schwerwiegendes davon ist: Irgendwie müssen die irrsinnigen Distanzen überwunden werden. Die Science-Fiction-Literatur hat dafür schon verschiedene Lösungen vorgeschlagen, die entweder darauf zielen, durch phänomenale Reisegeschwindigkeiten die Reisezeit zu verkürzen (Warp-Antrieb, unendlicher Unwahrscheinlichkeitsdrive etc.) oder die Reisenden selbst für die lange Reisezeit zu präparieren (Generationenschiff, Kryonik etc.)
Eine Möglichkeit, die sogar interdimensional funktioniert, wenn wir Rick Sanchez glauben wollen, ist die Umwandlung der Identität in ein Datenpaket und die anschließende Implementierung in einen anderen (geklonten) Körper. Auf diese setzt Andreas Suchanek in seinem Sci-Fi-Thriller.
Commander Liam Mikaelsson erwacht in seinem Klonkörper, um mit seinem Team die geplante Erkundungsmission eines weit entfernten Planeten aufzunehmen. Bis dahin ist alles in Ordnung. Ab dann läuft überhaupt nichts mehr nach Plan. Von seinem Team erwacht nur noch seine Sicherheitsexpertin und die Technik verhält sich generell merkwürdig. Von einem ruhigen Planeten, der sich geordnet erforschen lässt, kann auch keine Rede sein. Und allmählich wird klar, dass es sich bei der ganzen Situtation nicht einfach um unglückliche Umstände handelt…
Ich habe dieses hochspannende Buch sehr gerne gelesen. Suchanek versteht es, einen Plot zu erzählen, der in den Bann zieht und die Spirale der Ereignisse immer weiter zu drehen. Ich mag den Marketing-Begriff vom Page-Turner nicht besonders – aber hier trifft er ohne Zweifel zu. Wer einen Thriller sucht, der sich schnell weglesen lässt, ist hier genau richtig.
Buchdetails:
Andreas Suchanek: Interspace One : Roman. Piper München 2022, 377 Seiten, ISBN 978-3-492-70634-6 ; 15 € ; als ebook 12,99 €
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