Sagt mal, geht’s noch?

Bizarr.
Was sich in diesem Lande gerade abspielt, ist einfach nur bizarr.
Wenn Terror eine Idee hat, dann die, dasjenige System zu destabilisieren, gegen den er sich richtet. Das ist immer dann ein probates Mittel, wenn man sich in einer unterlegenen Position sieht. Und nicht selten führt das auch zum Erfolg, denn der große Vorteil an dieser taktik ist die eigene Unsichtbarkeit. Man bildet einen Gegner, der nicht zu fassen ist, der immer und überall auftauchen kann und genauso schnell wieder verschwindet (auf Selbstmordattentäter zu setzen ist dabei übrigens ein bemerkenswerter Schachzug, denn es entfällt dabei die Notwendigkeit, über Fluchtwege, das Unbemerktbleiben nach der Tat nachzudenken, was die Planungen unglaublich vereinfacht und völlig neue Optionen eröffnet). Ein zu fassender, damit letztlich nicht zu definierender Gegner aber ist extrem gefährlich. Wer immer sich mit Militärgeschichte befaßt hat, weiß, daß Unberechenbarkeit ein kaum zu bemessender strategischer Vorteil ist. Freischärler aller Zeiten arbeiteten da nach demselben Prinzip. Und das sollte man sich erst einmal vergegenwärtigen, denn ich glaube, daß es zum Verständnis unbedingt notwendig ist, sich dieser Traditionslinien bewußt zu sein. Dann nämlich erst kann es gelingen, zu verstehen, was die Leute antreiben könnte.
Ich bin sicher, sehr viele in der geneigten Leserschaft kennen dieses Bild aus dem Schulunterricht:

Goya

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Keinen Cent und keinen Mann

Wie in diesem Blog bereits erwähnt, spielte die tageszeitung eine wesentliche Rolle in meiner politischen Sozialisation.
Meine persönliche Abneigung gegen den SpringerVerlag mag also darin begründet liegen. Daher habe ich auch stets versucht, mich zu dessen Produkten nicht zu äußern, bin ich mir schließlich meiner Parteilichkeit durchaus bewußt. Was sich allerdings in den letzten Tagen und Wochen in deren auflagenstärkstem Blatt abspielte, ist derart haaresträubend, daß ich doch einmal ein paar Worte dazu verlieren muß.
Beziehungsweise auf die Worte anderer dazu verweisen möchte, denn wieder einmal hänge ich der Debatte im Netz etwas hinterher (die geneigte Leserschaft kennt das ja schon, so von wegen Pulverdampf und klare Sicht) – es haben sich also bereits einige sehr überzeugend geäußert.

Zunächst einmal Lukas Heinser auf bildblog.de, der den vorläufigen Endpunkt der Entwicklung zum Anlaß nimmt, die typische Art der Bild-Desinformation aufzudröseln.

Dann einen bemerkenswerten Beitrag von Michael Pantelius auf print-wuergt.de, der sachlich und ruhig, aber durchaus nicht emotionsfrei die jüngste Hetzkampagne und ihre Wirkung beschreibt.

Und schließlich noch den dazu passenden Beitrag bei ZAPP, bei dem das indiskutable sogenannte Nachrichtenmagazin “FOCUS” sich in die Springer-Riege einreiht.

Ich bin mir vollkommen im Klaren darüber, daß die “Bild” nicht alles ist, was bei Springer publiziert wird. Aber es tut mir Leid, da können die in der “Welt kompakt” noch so viele Tweets abdrucken und sich in der “Welt” selber noch so viel Mühe im Feuilleton geben: Für einen Verlag, der in seinen Publikationen eine solche Hetze betreibt, ist in meinem Medienbudget kein Platz.

Warum noch immer Millionen die “Bild” kaufen? Wo das doch alles seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten bekannt ist? (Wallraff, Böll, anyone?)
Ich weiß es nicht. Und ich verstehe es auch nicht (es sei denn, diese Erkenntnis stimmt).
Der Hausheilige versteht es auch nicht:

Die Presse. Ihr Glaube an ihre Presse ist bewundernswert. An dieselbe Presse, die sie vier Jahre lang mitbelogen hat; man müßte glauben, ihr Vertrauen wäre wankend geworden durch die Ereignisse, die so gar nicht mit den Leitartikeln übereinstimmten.
Nichts dergleichen. Sie schwören auf ihr Blatt.
Rührend ihre fingerfertige Geschicklichkeit, mit vorher feststehendem Resultat Denkarbeit zu leisten. Man beweist sich ja nur das, was man glauben will – und die abenteuerlichsten Windungen dünken sie gut,
wenn sie zum gelobten Land der Verdienstmöglichkeiten führen.

aus: Eindrücke von einer Reise. in: Werke und Briefe: 1919, S. 399. Digitale Bibliothek Band 15: Tucholsky, S. 1509 (vgl. Tucholsky-GW Bd. 2, S. 177) (c) Rowohlt Verlag

P.S. Ob also dieser Empfehlung eine weitere folgen wird, wage ich zu bezweifeln.