Gachmurets dritte Kulturwoche: Verlag

Verlag: Hermann Schmidt Mainz

In Urheberrechtsdebatten, Krimis oder anderen Filmen sind Verleger gerne villenbewohnende Zigarreraucher, die herrisch über das Schicksal untertänigst um ihre Gnade bittender Schriftsteller bestimmen.
Keine Ahnung, wo die jeweiligen Autoren ihre Milieustudien betrieben, aber zumindest für Buchverleger, so es sie denn noch gibt, ist dies keineswegs typisch.
Einer der beliebtesten Vorwürfe an Verleger (und Medienhändler) lautet ja, sie würden nur danach schauen, was “geht”, was sich gut verkauft. Besonders abgelehnte Autoren finden sich schnell dazu bereit. Das kann stimmen, es kann aber auch sein, daß das vorgeschlagene Projekt einfach schlecht ist und gar keine Verbreitung verdient. Meist ist es aber so, daß es denjenigen, der die Auswahl zu treffen hat, schlicht nicht überzeugte. “Ich drucke nichts, was mir nicht gefällt.” ist ein Satz, mit dem Verleger so lange punkten können, bis demjenigen, der diesen Satz bejubelt, auffällt, daß damit nicht zwangsläufig immer die anderen gemeint sind. 😉
Letztlich aber, bei allen Möglichkeiten, die insbesondere Konzernen zur Verfügung stehen, ob ein Buch wirklich funktioniert, weiß man immer erst hinterher. Und das wird schwieriger einzuschätzen, je kreativer, je außergewöhnlicher ein Projekt ist.
Kreative und außergewöhnliche Bücher sind nun eine wahre Spezialität des Verlages Hermann Schmidt Mainz und das ist auch der Grund, warum er heute empfohlen wird. Deren Publikationen gelten für mich als lebhafter Beweis dafür, daß nur Verrückte auf die Idee kommen können, einen Verlag zu gründen (bezieht man jetzt noch ein, daß die ganze Branche als hochinzestiös gilt, macht das sogar richtig Sinn).
Mal ein Beispiel:
Schriftwechsel von Stephanie de Jong und Ralf de Jong
Schrift sehen, verstehen, wählen und vermitteln
mit über 150 Illustrationen und Beispielen, 50 ausführlich dargestellten Textschriften und weiteren 200 Schriften im Vergleich
Mit einem fortlaufenden Blindtext aus Anne Cuneos “Garamonds Lehrmeister”

360 Seiten mit perforiertem Satzpiegel, Format 21 x 29,7 cm
Leinenband mit Siebdruck und Prägung mit zweifarbigem Schutzumschlag
und 2 Lesebändchen
Preis: 89 €

Es ist ein Stück weit verrückt, so etwas zu drucken. Genau genommen, kann man nur darauf hoffen, daß es genug Verrückte da draußen gibt, die ein solches Buch kaufen würden. Und auch wenn 89 € nach einer Menge Geld klingt, es müssen etliche sein. (Also ich habe es 😉 ) – und ihr könnt das auch)
Bücher, die bei Hermann Schmidt produziert werden, sind vor allem eines: Wunderschön. Es sind Kunstwerke, egal zu welchem Thema – immer spürt und sieht man die kreative Arbeit, die in jedem Detail steckt. Daß ein Buch weitaus mehr ist als schwarze Buchstaben auf weißem Grund – hier ist das noch erfahrbar. Es ist ein Genuß für Augen, Nase und Hände. Hier ist das Buch ein Sinneserlebnis, man muß gar nicht lesen, um zu genießen.
Es kommt tatsächlich vor, daß ich bei einem Buch wie Lesetypo, gedacht als Hand-, Arbeits- und Lehrbuch, mithin also als eines mit praktischem Nutzen, blätternd einfach nur die leuchtenden Augen streifen lasse über diese Schönheit – ohne auch nur ein Wort bewußt zu lesen.

Ein Buch möchte ich noch einmal gesondert empfehlen, für all diejenigen in der geneigten Leserschaft, die entweder nicht so genau wissen, wie und vor allem: mit wievielen Menschen ein Buch eigentlich produziert wird oder aber anderen, beispielsweise den eigenen Kindern, eben dies nahebringen wollen.
In Das geheime Leben der Bücher vor dem Erscheinen wird genau das erklärt. Ich bin sicher, selbst etliche Buchmenschen werden darin Neues finden – und vor allem: Das Buch hat ein thermosensitives Cover. Das ist toll. Ich lese das Buch gerade mit meiner Tochter, die sich allerdings weit mehr für den Inhalt als für den coolen Effekt interessiert (verstehe einer die Kinder…), was ich wiederum gar nicht schlecht zu finden vermag. Immerhin weiß sie nun, was ein Illustrator oder ein Typograf ist, kennt Schriftenfamilien und ich freue mich bereits auf das wunderbare Kapitel “Ist ‘Sachen verlegen’ wirklich ein Beruf?”.

Zum Abschluß bleibt mir nur noch, auf die Webpräsenz des Verlages zu verweisen, bei der sich übrigens unter dem Menüpunkt “Leitbild” ein jeder schnell daran erinnern kann, daß hier tatsächlich Kaufleute am Werke sind. 😉

Und für alle, die das interessiert: Mein erstes Hermann-Schmidt-Buch war übrigens dieses. Lang, lang ist´s her.


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