Im Buchhändlerleben kommt es immer wieder vor, dass persönliche Beziehungen zu Kunden entstehen. Diese wollen dann oft mit niemand anderem mehr sprechen, von keinem anderen beraten werden, ja manchmal nicht einmal Bestellungen aufgeben, sondern gehen unverrichteter Dinge wieder davon, sollte man gerade nicht anwesend sein (oder warten, bis man sein Pausenbrot gegessen hat…)
Ich habe meine Buchhandelslaufbahn bei einem MA-Spezialisten begonnen, intensive Beratung und lauschige Gespräche über Novitäten und Klassiker sind da durchaus Mangelware. Nichtesdestotrotz, meine erste Kundin, die explizit von mir beraten werden wollte, fand sich dort – weil ich sie nicht merkwürdig anschaute, als sie ihr Interesse an historischen Romanen offenbarte*.
Ich habe in jungen Jahren sehr gerne historische Romane gelesen, was im Wesentlichen dem Einfluss Alexandre Dumas´ auf mein junges Gemüt geschuldet ist, aber nach einer sehr extensiven Christian-Jacq-Phase hat sich mein Leseinteresse doch anderen Gefilden zugewandt.
Nun fand ich aber bei dem immer noch empfehlenswerten Projekt einen neuen Roman von Rose Tremain, immerhin mit dem Orange Prize ausgezeichnete Autorin, die zudem bei publiziert wird, was mir ein gutes Zeichen erschien.
Ein nicht mehr ganz junger Vertrauter des englischen Königs Karl II., der Arzt Sir Merivel, sucht nach neuen Herausforderungen und begibt sich nach Frankreich, um in Versailles am Hofe zu reüssieren, was gründlich danebengeht. Immerhin aber ergibt sich eine Liebesbeziehung zu einer unglücklich verheirateten Frau und zu guter Letzt steht seine Loyalität zum König vor einer Prüfung.
Kann man machen, dachte ich mir, Mid-Life-Crisis in einem Zeitalter ohne Porsche, das könnte recht unterhaltsam werden.
Weiterlesen „Rose Tremain: Adieu, Sir Merivel“
Monat: März 2013
Power to the (reading) People
Der Welttag des Buches ist eine feine Sache. Einmal im Jahr soll das Buch, soll die Literatur im Vordergrund des öffentlichen Interesses stehen. Man hat sich dafür ein symbolträchtiges Datum ausgesucht, der 23. April ist weltliterarisch durchaus ein Schwergewicht. Und Schwergewichte sind es auch, die den Welttag publik mach(t)en. Es sind Branchenverbände und Großverlage, die ihre PR-Maschinen anwerfen, um schön gestrickte Marketing-Aktionen in Gang zu setzen.
Auch das ist natürlich eine feine Sache und jeder, der schon einmal selbst versucht hat, Aufmerksamkeit zu generieren, weiß, dass es überhaupt nicht schaden kann, professionelle PR-Maschinen anwerfen zu können.
Ganz unter uns gesagt, sind aber solche professionell geplanten Marketinggeschichten durchaus eine gute Portion öde. Nicht immer wirklich langweilig, aber es fehlt doch stets das Quentchen Überraschung. Besonders, wenn man dann schon eine Weile in der Branche ist, merkt, wie Budgets abschmelzen, wie Kreativität fehlt und überhaupt alles ein bisschen sehr in gewöhnliche Fahrwasser gerät, wo es eigentlich nur noch um lancierte Leseproben geht.
Umso erfreulicher nun, dass die Lesenden nun das Heft des Handelns ergreifen und einfach sagen: »Wir holen uns den Welttag zurück«. Also, keine Ahnung, ob sie das wirklich sagen, aber ich empfinde es so. 😉
Die Aktion »Blogger schenken Lesefreude« lädt dazu ein, am 24. April über ein Buch zu bloggen, das dann unter den Kommentierenden verlost wird. Ganz genau nachlesen kann man das in diesem Interview, das zudem alle notwendigen weiterführenden Links bereit hält. Leider habe ich inzwischen vergessen, wie ich auf diese Aktion gestoßen bin (es war aber kurz bevor die Branchenpresse darauf aufmerksam wurde), wollte aber, wie sich die geneigte Leserschaft sicher vorstellen kann, unbedingt mitmachen.
Es wird daher hier am 23. April die Möglichkeit geben, Frank Fischers wunderbaren »Weltmüller« zu gewinnen.
Weil heute aber heute ist und heute ist indiebookday, eine ebenfalls sehr exzellente Aktion, die ganz hervorragend passt, wenn es darum gehen soll, bei all der wirklich wichtigen Leistung, die die Big Player für die Branche erbringen (das ist ein eigenes Thema wert, aber all die Dienstleistungen, die Präsenz, die Werbung, die von den »bösen Großen« erbracht werden, sind durchaus ein Rückgrat, eine Basis, auf der die »Kleinen« aufsatteln können), sind es doch oft die kleinen, unabhängigen, selbstausbeuterischen Idealisten, die das Salz in der Suppe bilden. Die auf der Suche nach neuer, unentdeckter, aber guter Literatur sind, die Nischen besetzen, die auch das noch publizieren, was nur noch eine Handvoll Leute interessiert – und die dabei doch nicht reich werden. Und zwar selbst wenn sie einmal einen Durchbruch schaffen, so ergeht es ihnen doch oft wie den Fußballvereinen, die immer für ihre hervorragende Jugendarbeit gelobt werden, deren erste Mannschaft dann aber doch nur in der dritten Liga spielt…
Und all diese Unermüdlichen, diese Verrückten, die mit Herzblut bei der Sache sind und trotzdem sehr häufig (es sind wirklich viele, auch solche, bei denen der geneigte Leser dann nie vermuten würde) mit einem ganz anderen Job ihre Miete verdienen müssen, deren Arbeit soll dieses eine Mal ganz im Mittelpunkt stehen und die Bestsellerlisten wenigstens für einen Tag mal nach hinten schieben.
Für all jene in der geneigten Leserschaft, die jetzt vor Schreck gar nicht wissen, welches Buch sie sich heute unbedingt zulegen wollen, habe ich eine Liste zusammengestellt, die ich unter größten Schmerzen auf 10 Titel beschränkt habe. Und der Gewinner der Verlosung nächsten Monat darf sich noch eines von der Liste wünschen. oder aus dem Programm dieses schnuffigen Verlages.
Und da Klassenkampf ja gerade wieder salonfähig ist, jetzt etwas Musik:
Buchhändlerfreuden (1)
Vertreter & Vorschauen
März ist die Zeit der Leipziger Buchmesse. Es wird eine Aufmerksamkeit für das Buch generiert wie es sonst nur noch im Oktober geschieht. Das ist für Buchhändler natürlich eine feine Sache, für Verlage nicht minder und doch ist das immer so eine Sache. Denn Marketingmenschen werden meist sehr hibbelig, wenn sie merken, dass sie Aufmerksamkeit einfach so bekommen, also ohne dafür ausgeklügelte Maßnahmen ergreifen zu müssen. Einfach nur, weil März ist.
Das fürht zu einer Novitätenkonzentration im Frühjahr, die inzwischen ungesunde Ausmaße erreicht hat. Ungesund weniger wegen der geschundenen Rücken und Arme der Noviätentische füllenden Buchhändler als vielmehr wegen der zwangsläufigen Situation, dass unter alls den Knallern, die da auf den Markt geworfen werfen, nicht nur die Rosinen unterzugehen drohen, sondern auch der eine oder andere veritable Bestseller keiner wird, weil er sich einfach nicht mehr durchsetzen konnte – was er im Mai aber vielleicht können würde. Man müsste dann zwar auf die messebedingte Aufmerksamkeit verzichten, könnte dafür aber in einem weniger gefüllten Umfeld besser reüssieren. Da aber kein Marketingmensch freiwillig auf mögliche Aufmerksamkeit verzichten will, kommen eben alle im März.
Das Leiden des Buchhändlers beginnt aber sehr viel früher, nämlich im Januar und Februar, dann wenn die Verlagsvertreter zu Besuch kommen und der Einkauf ansteht. Dann also, wenn man sich all die Stapel bestellt, die man wenige Wochen später, in aller Ambivalenz fluchend und doch irgendwie wohlgestimmt auf die immer viel zu geringe Ladenfläche zu verteilen sucht.
Und in genau diesen Vertretergesprächen begegnen den Beteiligten dann Formulierungen und Sätze, die Teil eines eingespielten Zeremoniells sind. Sei es, dass in der Verlagsvorschau nur noch Spitzentitel, Schwerpunkttitel, Bücher des Monats und Bestseller beworben werden oder Vertreter und Buchhändler ritualisierte Textbausteine austauschen. Genau dieses Sammelsurium findet sich nun, als Werbemaßnahme für Lorenz Meyers »Das ultimative Bullshit-Bingo«, im Buchhändler/Vertreter/Vorschauen-Bullshit-Bingo, das als .pdf für alle Interessierten heruntergeladen werden kann. Und ich kann sagen: Ich hätte auf jeder Reise jedes Feld ankreuzen können. Mein Lieblingssatz ist übrigens: »Da nehme ich mal eins.«