Hybris.

Ursprünglich wollte ich an dieser Stelle über die im Netz wabernde Hybris, die Blogosphäre sei sowohl am Rücktritt Köhlers als auch an der Nichtnominierung Frau von der Leyens maßgeblich beteiligt gewesen, schreiben.
Dabei wollte ich unter anderem darauf verweisen, daß Frau von der Leyen im Wesentlichen von männerbündischen Konservativen in der Union verhindert wurde, was im Übrigen zum Nachdenken anregen sollte, und das Zensursula-Argument nur eine willkommene Ausrede für die verzweifelt um ein Restprofil kämpfende FDP war. Im Weiteren sollte eine Ausführung folgen, die darauf hinweist, daß die Meinung der Netzaffinen bei innerparteilichen Machtspielen derart irrelevant ist, daß ich wirklich nicht begreife, wie man auch nur annähernd auf die Idee kommen könnte, daran beteiligt zu sein.
In einer grandiosen Rundschau wollte ich anschließend ausführen, wie klar erkennbar Köhlers Rücktritt mit mangelndem Rückhalt in der Politik zusammen hing (und eben nicht mit der Debatte um seine Afghanistan-Äußerung, als ob Köhler noch keine Kontroversen ausgehalten hätte…) und wie offensichtlich ein Christian Wulff aus durchsichtigen, kurzfristigen, geradezu peinlich kleingeistigen taktischen Motiven heraus nominiert wurde, um dann mit einem Seitenhieb auf die Linke, die mit ihrer idiotischen Begründung, Gauck sei ein Mann der Vergangenheit und nicht der Zukunft (wahrscheinlich im Gegensatz zu Peter Sodann) ihrer Konkurrenz hervorragende Munition für die nächsten Wahlkämpfe lieferte, in einer brillanten Philippika die Tigerenten zu geißeln, die nur mit Mühe werden erklären können, warum sie Gauck nicht wählten.
So in etwa sollte das laufen. Beim Abarbeiten meiner Linkliste zum Thema blieb ich allerdings schon sehr zeitig stecken und stellte fest, daß wiedermal schon alles gesagt war. Zumindest zur Ausgangsfrage. Von der denn auch nicht viel übrig blieb. 😉
Ich bitte also die geneigte Leserschaft einfach mal hier entlang.
Wobei eine Anmerkung noch: Ich will damit nicht gesagt haben, daß es klug ist, wie die Politik mit der Netzöffentlichkeit umgeht. Ganz im Gegenteil, in dieser Ignoranz offenbart sich eine Hybris, die wohl auf Dauer unklug ist. Auf Dauer wird sich das sicherlich ändern, nur derzeit ist es so: Im Getriebe der Politik spielt das Netz überhaupt keine Rolle. Und die Wahl Wulffs statt von der Leyens steht eben genau dafür. Grund zum Jubeln ist das nicht.

UPDATE
06.06.10: Sehr gut auch dieser Beitrag hier.

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Ausgekocht.

Roland Koch tritt also zurück.
Politik sei nicht sein Leben, läßt er verlauten. Das mag man nun glauben, was schwer fällt, bei jemandem, der seit seinem 14. Lebensjahr politisch tätig ist, oder auch nicht.
Roland Koch war sicher einer der übelsten Figuren im Ensemble der deutschen Politik. Er hat offen gelogen, er hat offen gehetzt und so offen gegen Parteichefin Merkel agiert, wie es eine Intrige nur zuließ.
Ist das aber wirklich so?
Zu dieser Einschätzung kann doch nur gelangen, wer annimmt, in der Politik ginge es um Werte, Überzeugungen oder gar das Wohl des Staates, vielleicht sogar der Gesellschaft. Das halte ich aber für eine Illusion.
Die Karriere eines Politikers ist nur eine der Optionen, die zur Auswahl stehen. Und genau das ist das Problem.
Ich halte es für eine fatale Entwicklung, daß “Politiker sein” ein Beruf geworden ist. Die ursprüngliche Idee eines Parlamentariers ist die eines Staatsbürgers, der Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen möchte und sich deshalb ehrenamtlich engagiert. Da der Umfang dieses Amtes aber die Ausübung einer anderen Tätigkeit geradezu unmöglich macht, haben die Entschädigungen Höhen erreicht, die in der Tat Anreiz sind.
Das wäre vielleicht noch nicht einmal das Schlechteste. Warum auch nicht? Wieso sollten wir es nicht begrüßen, wenn sich Bürger dieses Staates von Anfang dazu entschließen, ihre ganze Kraft dem Amt des Parlamentariers zu widmen?
Aus einem ganz einfachen Grund: In dem Moment, in dem ein politisches Amt zu einer Option unter vielen wird, zu einer reinen Karriereentscheidung, fällt es auch unter die Bewertungskategorien einer Berufsentscheidung. Es werden also Dinge entscheidend wie Höhe des Gehalts, Aufstiegsmöglichkeiten, persönlicher Aufwand und Gestaltungsmöglichkeiten. Und, mal ganz ehrlich: Besonders gut schneidet die politische Laufbahn bei einem solchen Vergleich nicht ab. Wir dürfen also getrost davon ausgehen, daß nicht die tatkräftigsten, klügsten oder originellsten Köpfe “in die Politik gehen”. Im Gegensatz zur Boulevard-Meinung ist das nämlich keineswegs ein reines Vergnügen. Warum für jede Äußerung in der Öffentlichkeit stehen, wenn man ein Vielfaches des Geldes auch im Stillen erarbeiten kann? Wozu sich auf Kaninchenschauen blicken lassen, wenn man sein Wochenende auch auf La Rochelle verbringen kann? Nein, wer wirklich etwas drauf hat, für den ist die politische Laufbahn wahrlich keine lukrative Option.
Das wäre aber ja noch kein Problem, wenn es eine ausreichende Menge junger Menschen gäbe, die andere Kriterien ansetzten. Die vielleicht wirklich etwas verändern wollen, die die welt nicht so hinnehmen wollen, wie sie ist und denen es um mehr geht als für sich selbst einen angenehm scheinenden Platz zu finden. Nun, die gibt es. Und nicht wenige von ihnen versuchen es tatsächlich, getreu dem Motto: “Rin ins System und von innen uffmischen!“. Die aber kommen entweder nicht durch, geben nach kürzer oder längerer Zeit frustriert vom Kampf gegen Stumpfsinn, kleingeistiger Intrigen und armseligen Machtspielchen auf oder aber übernehmen die Denkkategorien des Apparats. Eines Apparates, der Minister nach Landesverbänden auswählt, eines Apparates, der nur noch als selbstreflexiv zu bezeichnen ist, eines Apparetes, der sich selbst klont. Weiterlesen “Ausgekocht.”